ICE Bertholt Brecht

ICE in Wuppertal-Steinbeck
ICE in Wuppertal-Steinbeck

Bringe mich in eine kühle Halle, wenn meine Kräfte schwinden

Eigentlich ist es nur Wasser auf die Mühlen, dass auch der ICE enorme Probleme hat. Unter 0°C friert er ein, bei 30°C versagt die Klimaanlage. Fenster aufmachen is nich. Blöd ist, wenn man erfährt, dass die eigene Nichte, heimkommend von der Klassenfahrt aus Berlin, in einem dieser Gewächshäuser saß.

Gut, dass die Klimaanlage ausfällt, ist nichts Neues. Beim ICE ist dies seit Jahren bekannt, wäre abzustellen, aber es hat sich noch kein Sponsor in den Vordergrund verklagt.

Würde der ICE Tiere transportieren, hätten sich längst Aktivisten an die Schienen gekettet

Auch der Müngstener hat immer wieder Probleme. Hier weiß man auch, dass er für die zu leistende Strecke untermotorisiert ist – juckt aber auch keinen, und an die Fahrplanabweichungen und ausfallenden Züge ab September hat man sich gewöhnt. In einschlägigen Bahn-Foren mehren sich Stimmen über ausgefallene oder überforderte Klimaanlagen auch in anderen Zuggattungen. Auch das finde ich schon nicht mehr verwunderlich. Verwunderlich jedoch ist, dass ein defekter Zug mit verantwortungsbewusstem Zugpersonal gegen einen anderen defekten mit weniger Verantwortungsbewusstsein getauscht wird. Wir werden sehen, was die Ermittlungen hier ergeben. Wie die Rehe im Wald springt bei der Bahn doch manches mal alles hinfort, wenn mal ein Baum umfällt. Warum es zudem die Order gab keine der durchaus vorhandenen Getränke auszuschenken, bleibt wohl dem monetären Bahngedanken vorbehalten. Die Bewirtschaftung obliegt einer Dritten Firma, also sprechen organisatorische Gründe gegen eine rasche Hilfe, unterlassene Hilfeleistung ist da ganz weit weg.

Die Bahn indes gibt sich in Zahlen und relativiert die bewusst in Kauf genommene Körperverletzung mit Zahlenmystik. Da wird sicher jeder der Betroffenen wieder ruhig schlafen wenn er weiß, dass er so etwas Besonderes für die Bahn ist, und sie das Spektakel exklusiv für eine kleine Gruppe veranstaltet hat – bzw. haben soll.

Die Frage bleibt, warum die im Zug für die Schulklasse verantwortlichen Personen nicht längst die Notbremse gezogen haben. Die Bahn war augenscheinlich darauf aus, die Fahrpläne nicht kollabieren zu lassen und fuhr weiter – da nimmt man lieber kollabierende Reisende in Kauf. Eine Notbremse hätte den Fahrplan kollabieren lassen, und dies schien auch dringend geboten zu sein. Allerdings ist die Notbremse wohl nicht im Bewusstsein gewesen. Es wurde in der Not noch versucht eine Scheibe einzuschlagen, was glücklicherweise mißlang, da dies in voller Fahrt wohl weiteren Schaden bedeutet hätte; der ICE hat nicht ganz grundlos keine zu öffnenden Fenster mehr. Wenigstens etwas hat gehalten.

Doch warum gibt es grundsätzlich keine Fenster?
Technisch wäre es doch ohne Probleme zu leisten ein Fenstersystem zu integrieren, welches vom Zugpersonal am Bahnhof zu entriegeln, und bei dem der Zug dann automatisch auf eine gangbare Spitzengeschwindigkeit gedrosselt wird. Die alte (feine Bonner-Republik) E03 zog die ICs auch mit 200 – mit Fenstern. Allerdings ist dann für den ICE wieder der Fahrplan im Arsch und Regress droht. Doch auch da hat die Bahn längst vorgesorgt und das 59min Phänomen eingeführt? Sicherlich einfacher wäre es Klimaanlagen zu bauen, die auch dann funktionieren, wenn sie nötig sind.

Was bleibt ein Bild von der Bahn, welches wöchendlich mit einer neuen Hiobsbotschaft aufwarten kann?

(Ja, ich habe tatsächlich kein besseres Bild vom ICE, als dieses bei Bergischem Pisswetter geschossenes mit Fehlfokus / Den Songtext „ICE Bertholt Brecht“ spare ich mir dieses mal, kannste Dir ergooglen)

8 Antworten auf „ICE Bertholt Brecht“

  1. Hatte gestern einen fast identischen Text angefangen und mich dabei auch gefragt, warum niemand die Notbremse gezogen hat. Meiner Meinung nach eine absolut gerechtfertigte Handlung.
    Erst später kam mir der Gedanke, dass der Zug womöglich in der prallen Sonne irgendwo in der Pampa zum Stehen gekommen wäre. Nicht gut.
    Alles in allem eine schlimme Geschichte, die einem -nicht zuletzt durch die Aussage des Pressesprechers- die Halsschlagader schwillen lässt.
    Möge die Masse dem Unternehmen durch Vertrauensentzug zeigen wo’s lang geht. Und ja, ich weiß, dass das leider unwahrscheinlich ist.

  2. Ja, das mit der Pampa ist nicht von der Hand zu weisen. Ob es jetzt besser ist in der prallen Sonne zu fahren oder zu stehen (und Türen zu öffnen), sei dahin gestellt; auch, ob zwischen Hannover und Köln wirklich eine so pampaträchtige Gegend ist, dass dort keine zeitnahe Versorgung stattfinden könnte; zumal Versorgung ja auch an Board war.

    Ich würde mich zumindest lieber hinter das Gewächshaus in den Schatten setzen, als mitten darin weiter zu verdörren. Aber ich musste das auch nicht entscheiden und habe leichtes Reden. Aber mit dem Pampa-Argument könnte man als logische Konsequenz die Notbremse auch direkt abschaffen, oder? 😀

  3. Bei Gelegenheit muss ich einmal alte Zeitschriften nach Bahn-Werbung durchforsten. Wie war der Slogan noch gleich? „Alle reden vom Wetter …“

    Wer hat diesen eigentlich auf das Abstellgleis geschoben?

  4. Vermutlich ist die heutige Notbremse so konstruiert, dass sie nur dann wirkt, wenn der Zug dadurch in einem Bahnhof mit passendem Bahnsteig zum Halten käme.

  5. Ich haette die Notbremse auch nicht gezogen. Aus dem gleichen Grund, der Herr Olsen schon eingefallen ist.
    Ich traue der Bahn ausserdem zu, dass ein notgebremster Zug so lange nicht zu verlassen ist, bis der schuldige Notbremser gefunden ist, der dann den finanziellen Schaden der Fahrplanstoerung zu tragen hat.
    Welchen Sinn hat eine Notbremse, die sich keiner ziehen traut- aus Angst vor der folgenden Rechnung?

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