Komm spiel noch mal Wolfgang!

Yamaha Akustikgitarre
Yamaha Akustikgitarre

Das Musikgeschäft ist eine grausame und hirnlose Geldkloake. Ein langer Korridor aus Plastik, in dem Diebe und Zuhälter tun und lassen was sie wollen, und gute Menschen vor die Hunde gehen.
Hunter S. Thompson

Früher kam Kunst von Können. Das musste nicht jedem gefallen, aber es war immer authentisch. Erfolgreiche Komponisten durften ihre Werke wieder und wieder vortragen. Dabei bekam der Musiker genau so oft eine Entlohnung, wie er seine Arbeit vorgetragen hat. Dem Vernehmen nach scheinen die Künstler dieser Zeit auch nicht zwingend am vollgesabberten Hungertuch genagt zu haben. Und dies ganz ohne Phonowirtschaft, Rillen im Vinyl oder Bits im Plastik. So einfach aus der Qualität heraus, Jahrhunderte überdauert. Festgehalten auf Papier. Unvorstellbar heute.

Lässt man das Spielkasino samt Finanzmärkte außen vor, sind die von eigener Hände Arbeit reichsten Personen die, die mit imateriellen Gütern Geld verdienen. Bill Gates mit Microsoft ist und bleibt hier wohl das markanteste Beispiel. In Zeiten von bis zur Bedeutungslosigkeit ausgeschlachteten Castinshow-Formaten steht eine ganze Generation Spalier, um eine CD vollzusingen, und so die schnelle Mark zu machen. Das berühmt nicht gleich auch reich bedeutet, hat sich noch nicht in jedem Winkel rumgesprochen.

Pink Floyd, vielleicht bezogen auf die Umsatzstärke nicht das fairste Beispiel, hat in 1,5 Jahren bei ihrer P.U.L.S.E Welttournee einen Reingewinn von mehreren hundert Millionen Dollar eingespielt. $500.000 verteilten sich grob auf die 11 Musiker nach Abzug aller Kosten auf der Bühne pro Tag. Bei gleicher Aufteilung wäre das ein Tagessatz von >$45.000 pro Musiker, ob nun spielfrei war, oder man 2,5 Stunden auf der Bühne klimperte. Das kann man durchaus auch als gerechtfertigt werten. Sie haben mit der Tour Maßstäbe gesetzt und hunderttausende Zuhörer begeistert. Doch jetzt kommt die Vermarktungsgesellschaft. Die Konserve bereits geleisteter Arbeit auf CD in Form der Doppel-Live-CD, später der Doppel-Live-VHS und viel später der Live-Doppel-DVD der Konzerte spült nochmal eine Menge Kohle in die Kasse – unaufhörlich. Jede Veröffentlichung, auch die 15 Jahre nach der Tour erschienene DVD, ist von 0 auf 1 eingestiegen. Vielleicht gibt es irgendwann noch einmal die BluRay Version des Konzerts, die erneut die bereits geleistete Arbeit weiter vergütet. Eine einmal geleistete und bereits bestbezahlte Arbeit, die Welttournee, wird konserviert und zum Dukatenesel für eine ganze Industrie, weil es ohne nenneswerte Kosten immer wieder reproduzierbar ist. Der Layouter für Booklet und CD / DVD Cover ist mit ein paar $1000 locker gut bezahlt, der Druck liegt bei der Auflagenstärke im Cent Bereich, vom CD/DVD Rohling ganz zu schweigen.

Wegen’em PFC inner CD is so’ne Platte auch nicht geil.
Für den Plastik sein Wert können se besser behalten,
ihr Albtraum Scheißteil.

Gleiches gilt z.B. auch für Filme. Glaubt man der Werbung, werden die ja für das Kino gemacht. Herr der Ringe spielte ebenfalls einen Reingewinn im dreistelligen Millionenbereich ein, also abzüglich aller Kosten für dieses Mammutprojekt. Die geleistete Arbeit hat man sich zudem damit vergoldet, dass aufwändig scheindende, aber in der Masse doch im Cent Bereich liegende Arbeit für teures Geld feil geboten wird, wenn man es in der Umlage überhaupt noch in Cent ausdrücken kann. Neben dem Merchandise wurde rein mit den Filmen mit bereits geleister Arbeit erneut Unsummen verdient. Das ist das Prinzip der Verwertungsgeschellschaft. Aber es bröckelt.

Die goldenen Jahre waren sicherlich die 90er. Die LP war noch weit verbreitet, und der Erfolg der CD mit dem massenhaften Neukauf bereits vorhandener LPs hat wieder die Kassen gefüllt. Damals noch bekam man zu hören, dass die CD Produktion so unendlich teurer wäre, womit der ehemals stolze Preis für die neue Technik zu rechtfertigen wäre. Heute wissen wir, dass dies allenfalls ein schlechter Scherz war, auch wenn man das in Form zarter Pflänzchen auch mit der DVD, der BluRay oder gar der SACD versucht. Die Krux an der Sache ist jedoch nicht, dass man sich bereitwillig die Kohle aus der Tasche hat ziehen lassen, die Krux ist, dass die damals exponentiell angewachsenen Umsatzrekorde noch heute als Maßgabe für die ganze Industrie gelten, und jedes Ausbleiben eines solchen Wachstums die Branche weinen lässt. Man jammert nicht auf hohem Niveau, man jämmert auf höchstem Niveau. Mein Mitleid hält sich in Grenzen, wenn die Herr der Ringe Trilogie unrechtmäßig kopiert wird. Der tatsächliche Schaden geht hier nüchtern betrachtet nämlich gegen 0. Im Gegenteil verdienen die Kunstschaffenden sogar bei den zahlreichen, reinen Daten DVDs noch fleissig mit, die ich im täglichen Arbeitsablauf wegbrenne, weil ich theoretisch auch deren geschütztes Material auf die Scheibe bringen könnte. Dabei macht man nichts weiter, als die Verwerter auch: Man vervielfältigt ohne Arbeit.

Das ist auch der Grund, um zurück zu den reichsten Personen der Welt zu kommen, warum die Dachdecker Bude um der Ecke niemals in die Forbes Liste kommen wird, weil ein einmal gelegtes Dach auch nur einmal vergütet wird, und es nur mit dem gleichen Aufwand reproduzierbar ist. Man zahlt nicht jedes mal erneut wenn es regnet.

Vor einiger Zeit hat ein junger amerikanischer Familienvater seinen Sohn, noch völlig benommen von der Betäubung des Zahnarztes, auf dem Rücksitz gefilmt. Dies brachte ihm unendlich viele Klicks ein, und, dank Google AdSense mittlerweile einen ansehnlichen, sechsstelligen Betrag.

Das Kunst heute noch von „können“ kommt, ist hinlänglich widerlegt. Dann hieße es vermutlich auch Handwerk. Nur gewinnt man damit scheinbar keinen Blumentopf mehr. Zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle blöd im Weg zu stehen scheint zielführender, um zu seiner eigenen Gerechtigkeit zu kommen, reich und berühmt zu werden. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist dann nur leider, dass ständig alle blöd im Weg rumstehen und darauf warten, dass ihnen eine Taube auf den Kopf scheißt. Ein prägnantes Beispiel ist der jährliche run auf den Sommerhit. Wie viele WM-Songs gab es dieses Jahr? Wie viele Lieder wurden als „Superhit“ vermarktet, noch bevor irgendwer sie zu hören bekam? Und das ehemals demokratische System von youtube wird medial ausgeschlachtet bis aufs Letzte pervertiert, weil man erfolgreich auch dies ins eigene System assimiliert.

Wer setzt hierbei eigentlich die Dummeheit in die Welt, man müsse von seiner Musik leben können? „Von irgendwas muss der Künstler ja leben“ ist die blödeste Aussage der ganzen Diskussion um Urheberrecht und kreatives Schaffen. Ich wage die These, dass Musik, von der man nicht leben kann, auch nicht den Anspruch haben sollte, davon zu leben zu können; genau dies wird aber versucht. Ob das Hungertuch gerade im Zuge des Internets wirklich zu einer künstlerischen Verarmung führt, ist doch äußerst fraglich. Jeder kann quasi mittellos seine Werke in die Welt rülpsen. Die Vermarktungsindustrie hat hier ausgedient, wehrt sich jedoch noch mit Händen, Füßen und Anwälten. Es ist nicht schön zu erkennen, überflüssig, ja gar störend zu sein. Wenn jemand von seiner Musik leben kann, weil er ein entsprechendes Publikum anspricht, ist das super. Das er das auch aus der Dynamik der Gesellschaft erreichen kann, zeigen unzählige Beispiele. Wenn nicht, so zeigt der Underground, kommt trotzdem ein riesiges Maß unterschätzter Musik und Lyrik zustande. Aber müssen wir wirklich mit GEMA, Künstlersozialkasse und Konsorten selbsternannte Künstler über Wasser halten, die es nicht wert sind? Mir scheint es, dass wirklich künstlerische Qualität bewusst eben jenen GEMA Stempel vermissen lässt. Vielleicht wäre auch eine Differenzierung zwischen Musik, künstlerischer Darbietung und Geräuschentwicklung zur Tanzbefriedigung nötig? Ich weiß es nicht.

EA80 - III: Auch ohne GEMA Stempel wertvoller als 10x Timberland (und als Sammlerstück heute auch teurer!)
EA80 - III: Auch ohne GEMA Stempel wertvoller als 10x Timberland (und als Sammlerstück heute auch teurer!)

Ich schließe womit ich anfing, mit Thompson:

In einer blockierten Gesellschaft, in der jeder schuldig ist, ist es das einzige Verbrechen, sich erwischen zu lassen. In einer Welt der Diebe ist Dummheit die einzige unverzeihliche Sünde.

3 Antworten auf „Komm spiel noch mal Wolfgang!“

  1. Ich kann deinen Unmut in etwa verstehen. Nur wie abstellen?

    Nach der Tour die Datenträger zum Selbstkostenpreis abgeben und die Copy erlauben?

  2. Es gibt zumindest Künstler, auch große, die den verbreiteten bootleg Tausch aktiv unterstützen. Es gibt Künstler, auch große, die sind so gar nicht einverstanden mit der Art der Vermarktung ihrer Plattenfirma.

    Die Lösung, gerade in Anbetracht der umfangreichen Vertriebsmöglichkeiten heute, liegt m.E. im Verzicht auf die Verwertungsgesellschaften. Mit einem größtmöglichem Bogen wäre schon viel geholfen. Denn, wie Such a Surge es 1998 besang, lange vor der bösen mp3 oder Napster:

    Das Geschäft ist dreckig und gemein. Pass auf! In diesem Business schwimmst Du mit den Haien.
    Du bist im Sudio mies drauf weil Dir stinkt, dass Dein Shit nicht nach Dir klingt, aber der Plattenboss mitsinkt, der Produzent den Hit bringt, der Dir gefehlt hat. Und weil ein anderer das Geld gezählt hat gehst Du leer aus. Fragen stellst Du nicht, Du lachst ins Rampenlicht.
    http://rghost.net/439697

    Fraglich, ob hier wirklich künstlerische Qualität entsteht, oder die zigtausendste Retorte.

    Es ist auch, bezogen auf youtube immer wieder komisch anzusehen, dass von den Musikern eröffnete channels mit Musikvideos von der Plattenfirma im Hintergrund gesperrt wird. Ebenfalls bei Pink Floyd bzw. David Gilmour bleibend ein bizarres Beispiel seines offiziellen youtube Channels:

    http://www.youtube.com/user/OfficialDavidGilmour

    „High Hopes (Live In Gdansk) – David Gilmour“
    Dieses Video enthält Content von EMI. Es ist in deinem Land nicht mehr verfügbar.

    Das System ist krank!

  3. Mich wundert dies auf Youtube ebenfalls immer wieder.

    Möglicherweise sehen die Künstler nur ihre begeisterten Fan’s, die Labels nur Mitbewerber, die sich an den „freien“ Werken bereichern.

    Vergessen wird dabei, dass die Künstler die Labels mehr oder wenige benötigen und die Labels ohne Künstler einen Motor ohne Sprit darstellen.

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