Verkaufen, verkaufen, verkaufen!

Ja, das Marketing. Eine Briefmarke kauft man nur, wenn man weiß, dass es sie gibt. Das ist das Problem von Open Source generell. Open Source schwatzt sich einem nicht offensiv auf, was man zu wollen hat, sondern gibt Werkzeuge für Dinge, die man können will. Es gibt Ausnahmen, gut. Mozilla Firefox hat Spenden gesammelt um offensiv Werbung zu machen für eine Alternative neben dem Internet Explorer. Schaue ich in meine Zugriffsstatistiken, war dies wohl auch erfolgreich. Aber generell: Auf Open Source Software wird man nicht hingewiesen, mann muss sie suchen. Dafür ist es nötig, sein Anliegen exakt genug zu formulieren. Was das mit Photoshop zu tun hat?

Das lässt sich gerade auch wieder ganz gut am neuen Flagschiff Adobe Photoshop CS5 sehen. „Content-Aware-Fill“ ist das Zauberwort und wird vom Marketing in das Internet gedrückt. Wie in obigem Video zu sehen, kann Content-Aware-Fill Stunden im Umgang mit dem Kopierstempel ersparen, und erzeugt mit wenigen Klicks in Sekunden das gleiche Ergebnis. Das Ergebnis scheint magisch, die Fan Foren sind voll von Beiträgen und Kommentaren wie „Hexerei“, „unglaublich“ usw.. ITler fragen verdutzt, wie Photoshop das wohl technisch überhaupt lösen konnte. Auch ich war fasziniert und musste kurz überlegen, ob ich noch freies Budget für ein Upgrade auf CS5 zur Verfügung stellen möchte. Nun hatte ich aber auch eine konkrete Frage, die ich Open Source stellen kann.

Dass, was Adobe hier wirklich am besten gemacht hat, ist jedoch das Marketing. Die beworbene Funktion gibt es nämlich seit Jahren im Open Source Bereich. Ganz leise, nur der Notwendigkeit der Funktion geschuldet. Niemand sagt mir, dass es sie gibt. Demnach auch kein Marketing, keine allzu ausschweifenden Produktbeschreibungen. Ich bin selbst nie auf die Idee gekommen Open Source zu fragen, ob es genau diese Lösung für mich hat, obwohl ich so eine Funktion in meiner Fotomanipulation häufig gebrauchen kann. Doch dank Adobe bzw. Photoshops Content-Aware-Fill Marketing konnte ich nun fragen, und Open Source gab mir die Antwort: Klar – Resynthesizer für Gimp wird Dein Werkzeug. Und für den fragenden ITler, der keinen Schimmer hat, wie Adobes Content-Aware-Fill funktioniert: Gimp liefert nicht nur die Funktion, sondern auf Wunsch auch die Art der Ausführung dessen direkt mit. Daran kann der nächste Entwickler dann direkt partizipieren, um eine weitere Funktion zu erstellen, nach der ich nie gefragt habe, schmerzlich vermisse, und Jahre später Adobe in ihrem Photoshop als Erfindung des tiefen Tellers in ihrem kommerziellen Produkt anbietet. Bezeichnend ist, dass das Photoshop Video über 3 Millionen Zugriffe hat; vergleichbare Gimp Videos, mitunter auch schon Jahre alt, nur ein paar zehntausend.

Und dieses Prinzip von Open Source, die Entwicklung aus der Notwendigkeit mit Partizipation des Bestehenden, ist auch der Grund, warum die EU weit immer wieder von einem kleinen Teil der Industrie (die, die bereits in hohem Maße Belanglosigkeiten patentiert haben) geforderten Software Patente eben nicht die gewünschte Innovation sichern oder ausbauen, sondern sich im Gegenteil nachteilig auswirken werden. Nahezu alles, was kommerziell vertrieben wird, entstammt einer Idee oder einer mehr oder weniger guten Umsetzung aus dem Open Source Bereich, oder ist auch ganz ohne beiderseitigem Wissen voneinander parallel entstanden. Glaubt jemand ernsthaft Microsoft war mit Windows 7 wirklich innovativ, nur weil es Konzepte kommerziell umgesetzt erfolgreich hat, die es im Open Source seit Jahren, teilweise seit Jahrzehnten, gibt? Sicher war es für Windows eine Erneuerung, für die IT sicher nicht. Open Source ist unglaublich kreativ, weil es Notwendigkeiten umsetzt und immer die Funktion im Blick hat, nicht das Marketing. Es mag sein, dass die Open Source Lösung nicht die eleganteste ist und Geld die kommerzielle Software geschmeidiger wachsen lässt, doch die Idee ist bekannt, wenn das Problem bekannt ist, und wird versucht zu lösen.

Jeden Tag passiert ist. Belanglosigkeiten gereichen zum Patent. Über die Jahre wurde eine schlummernde Zeitbombe immer weiter mit Sprengstoff vollgestopft. Patentämter werden überschwemmt mit Logikpatenten. Dabei ist der eigentliche Sinn derart abhanden gekommen, wie der des Urheberschutzrechts im Internet. Es ist eben nicht so, dass eine bestimmte Apparatur oder tatsächliche Erfindung patentiert wird, sondern eine Logik. Treffen könnte es alle. Apple hat kürzlich ein weiteres Patent eingereicht. Diesmal geht es der grausamen Jugend mit ihrer fehlgeleiteten Sprache an den Kragen. Wortfilter, von besorgten Eltern bestückt, sollen bestimmen, was den pubertierenden Handynutzer erreicht, oder nicht. Das hat sich Apple zum Patent gedacht, wenngleich Wortfilter längst seit Jahrzehnten in technischen Systemen eingesetzt werden. Aber irgendeine Nische wird man finden, dass eine bekannte Idee, speziell umgesetzt, zumindest rechtlich einmalig erscheinen lässt. Ganz gleich ob ein Wortfilter bei SMS schon eingesetzt wurde oder nicht – das Prinzip ist nicht neu, und in meinen Augen nicht patentierbar.

Ich möchte das „wir machen uns unsere Welt wie sie uns gefällt“ Gebahren von Aplle gar nicht bewerten. Auch Moralisten sind Menschen an und für sich. An, und für sich! Das jedoch ein Wortfilter, der anhand eines Suchmusters eine stopword-Liste für Gut und Böse einer Zeichenkette entscheidet, patentierbar ist, verwundert mich doch schwer.

Ich traue den verantwortlichen Personen, die irgendwie in diese Position gewählt wurden die gesetzlichen Regelungen zu Softwarepatenten zu treffen nicht mal zu, dass Problem überhaupt umfänglich zu erkennen. Wie sollen sie es dann bewerten, ohne die Lobby im eigenen Dunstkreis um Erklärung zu bitten. Firmenchefs großer Softwarehersteller sind mal schnell an der Politik, um in Lobbyarbeit die Notwendigkeit der Patente wieder und wieder darzulegen. Der Autor von Content-Aware-Fill ist es nicht. Er hat aber auch gar nicht den Anspruch, deshalb ist es ja Open Source.

Fakt ist, dass Europa heute zehntausende eingereichte Softwarepatente hat, bei der sich Platzhirsche so patentierbare Dinge wie Fortschrittsbalken, virtuelle Warenkörbe, Scrollbalken etc. haben patentieren lassen. Softwarepatente sind in Europa rechtlich nicht relevant – bisher. Gäbe es eine von wenigen geforderte, rechtliche Handhabe für diese Patente, wäre dies weder die oft zitierte Mittelstandsstärkung, noch eine Innovationsförderung, sondern das genaue Gegenteil. Schon meine Software wird wohl hunderte Lizensierungen benötigen. Auch ich habe Warenkörbe, Fortschrittsbalken, Mauszeiger, Blätterfunktionen, viel wohl schon patentierte Logik in meine eigenen Klassen gekapselt. Alleine die Kosten für die Recherche, ob meine Logik schon von jemand anderem patentiert wurde, übersteigt mein das Budget für das ganze Projekt, von tatsächlichen Lizenzkosten ganz abgesehen.

Wer glaubt, und dies ist häufig zumindest unterschwellig aus den Reihen der Politik zu hören, dass Open Source etablierte kommerzielle Werkzeuge kopiert und Umsätze verhindert, verschließt sich vor der Realität. Open Source ist nicht die „um jeden Preis kostenlose Alternative der gleichen Funktion“ eines kommerziellen Anbieters. Doch trifft den Mittelstand, der keine Open Source, sondern kommerzielle Software entwickelt, das Software Patent auch immer viel stärker, als es ihm nutzt. Nicht jeder Nutzer von Gimp gehört in die Umsatzverluste einer Bilanz von Adobe. Dies ist aber häufig so oder in ähnlicher Form Ist-Zustand. Geraade der Software und Unterhaltungsindustrie entsteht nach eigenen Angaben jedes Jahr ein beträchtlicher „Schaden“ in Milliardenhöhe. Es frustriert mich, dass sich gewählte Staatsvertreter mit derartig primitiver Argumentation blenden lassen und diese Argumente unreflektiert von „Beratern“ gezündet auch noch in die Medien tragen.

Logik gehört nicht patentiert – sie muss frei sein.

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