Hast Du die Biobrühe jetzt mal probiert?

Der Erzeuger im Garten
Der Erzeuger im Garten

In der Biofalle ist nicht nur die Mutterkuh gefangen.

Die Themenwoche der ARD in diesem Jahr rund ums Essen fand ich sehr lehrreich, hat sie doch dazu geführt, dass auch ich noch mal schaue, was auf den Teller kommt. Wächst der Wohlstand, wachsen die Wohlstandssorgen. Kann man das billige Fleisch noch kaufen? Bringt mich der Zucker um? Schützt mich der Biss in die fürchterlichsten Obstsorten vor Krebs? Dürfen meine Katzen Futter vom Discounter essen? Und wer hat sich das alles ausgedacht?

Alternative Spinner!
Man muss ja nicht hinter jeder Idee irgendwas schlechtes vermuten. So in den Endsiebzigern und 80ern galten sie als alternative Spinner. Körnerfresser in Jesuslatschen. Das kollektive schlechte Gewissen blies zum Kampf gegen Industrielle, die rücksichtslos die Würde des Tieres und der Pflanze mißachten, mit Billigprodukten das Volk krank und dumm machen, um sich die Taschen zu füllen. Der Wald stirbt. Wir erheben uns im eigenen moralischen Vorteil suhlend für eine bessere Welt – nein, für ein besseres Gewissen. Das Ozonloch wächst. Kinder bekommen verkrüppelte Füße in Turnschuhen, Nintendoritis wird anerkannte Krankheit für die früher so genannte Sehnenscheideentzündung, Handystrahlen machen weich in der Birne und Senf macht mürbe. In der Siedlung, in der ich auffwuchs, gab es auch Alternative Spinner. Deren Kinder, obwohl ferngehalten von den ganzen Grauen der Lebensmittel-Industrie, hatten nicht merklich weniger Probleme als ich.

Veganer Akne ist jetzt Pflicht,
Du trägst den Tofu mitten im Gesicht

Und sie wollten immer mein Kit-Kat auf dem Pausenhof haben. Aber wer tauscht schon mit Sellerie? So viel Geld passt überhaupt nicht in die Schulranzen, um mich doch irgendwie bestechen zu können.

Im neuen Jahrtausend war die Gesellschaft so vollgefressen und ohne Sorge, dass man sich ein neues Betätigungsfeld suchte. Der Russe war weg, der Türke noch nicht gefährlich, irgendwelche Werte muss man ja vertreten, irgendwie muss man sich moralisch vor sich selbst erheben. Bio wird salonfähig. Wie ist der Blick in den Spiegel, Kojote? Abgefucked liebt Dich. Kurios, dass heute ebenjene Unternehmen, die damals die Herkunft allen Übels waren, das Label Bio längst für sich entdeckt haben, unter der gleichen Maßgabe industriell Bio produzieren, jedoch nun als Speerspitze guten Geschmacks gelten. In jedem Discounter fand man praktisch über Nacht unzählige Bio-Lebensmittel – von scheinbar glücklicheren (-senensenen) Hühnern. Diese mit Genickstarre, weil sie in ihrem tollen Auslauf den Habicht fürchten und den Unterschlupf missen.

Das Glaubensbekenntnis der BioBios
Schriebe man ein Glaubensbekenntnis, so müsste man die unbedingte Abkehr aller chemischen Zusatzstoffe unterbringen. Atome und Chemie gehören mal gar nicht ins Essen! Keine Pestizide auf die Äpfel, und vor allem kein Glutamat im Essen. Gerade mit Glutamat habe ich familiär so meine Berührungspunkte. Es ist böse! Und das Böse gehört aus der Welt getilgt, ist klar! Die Fronten sind gesetzt. Hinfort mit Dir, Gammastahl der Industrie. Spürst Du die Zuckungen im Gehirn? Es frisst Dich auf! Schon der Gedanke an Durchfall hat so manche nennenswerte Diarrhoe zu Tage gefördert. Selbst erfüllte Prophezeiung.

Auch du kannst für alle nützlich sein:
Nimm die Schaufel zur Hand und grab‘ Dich selber ein!

Glutamate, Glutamate, Glutamate!
Die Glutamate sind für den Bio-Gläubigen wie das Kopftuch für Sarrazin. Glutamate sind schlecht für den Körper, das wird Dir jeder Knochenwerfer bestätigen! In nahezu allen industriell gefertigten Lebensmitteln stecken heute Glutamate. Warum? Weil es besser schmeckt, bzw. besser schmecken soll, weil Unternehmensführung wenig mit Schamanen gemein haben. Ein Pappebrei mit Glutamat versetzt, zaubert ein herzhaftes Menü, so scheint es. Wo die Industrie das bloß wieder her haben? Na aus dem Labor! Glutamat, so stünde es im BioBio Glaubensbekenntnis, ist ein menschlich produzierter Stoff um minderwertige Ware auf Kosten der Gesundheit zu veredeln. Doch stimmt das? Faktisch enthält eine Tomate eine ganze Menge Glutamat. Für seine tägliche Dosis Glutamat muss man nicht zwingend den Maggiwürfel ins Henkelmännchen kippen.

Ich komme zu dem Schluß, dass es eigentlich egal ist, was man kauft, und Bio eine weitere Alternativreligion einer Gesellschaft auf der Suche nach Werten darstellt. Hauptsache, man hat ein gutes Gefühl dabei und ist moralisch irgendwie erhaben. Iihh, wie kannst Du nur so viele Glutamate in Dich reinpumpen. Iihh, wie kannst Du nur Fleisch essen. Iihh, wie kannst Du nur die industrielle Luft atmen. Ich möchte jedoch nicht Michael Jackson zum Status Quo erheben, auch wenn mir die Fertigproduktpampe schmeckt wie schon einmal gegessen.

So bleibe ich bei meiner Linie, und esse und trinke schlicht was mir gefällt, wonach mein Hunger schreit, und wonach sich mein Appetit die Finger leckt. Nährwerttabellen und dass, was mir angeraten wird zu essen, interessiert mich lieber auch weiter nicht die Bohne. Das hilft auch am besten gegen die Gastritis.

Hauptsache gesund, und was hilft hat Recht! Genau, nur stellt man doch immer wieder und wieder fest, dass so im belanglosen Gespräch irgendwas ganz wunderbar hilft, irgendwie aber nie etwas einer Testsituation standhält. Ein Grippe dauert auch neun Tage, ob mit oder ohne Wick-Medi-Night. Und ich kenne Menschen, die sind tatsächlich auch ohne Sanostol nicht in kindliche Depressionen verfallen. Es scheint egal, ob man nun Glutamate weglässt und sich gut fühlt, oder den gelben Schnee am Wegesrand lutscht. Nur keine Komplexe!

Deine Zelle soll Dein Leben sein!

Dann bringt einer ein Buch raus, weil er alleine mit gesunder Ernährung und Sport den Krebs glaubt besiegt zu haben. Und man darf sicher sein, es darf ein Bestseller werden. Zwar krepieren Millionen mit gleicher Taktik, aber wenn die Ernährungsumstellung das einzige ist, an was man sich halten darf, dann wird es schon stimmen.

Im August ist Christoph Schlingensief noch in seiner ersten Lebenshälfte an Lungenkrebs gestorben, obwohl er Nichtraucher war. Vor ein paar Tagen starb Loki Schmidt als starke Raucherin in biblischem Alter. Bei Maischberger hat Helmut Schmidt, auch längst die 90 passiert, es geschaffte fast mehr Kippen anzustecken, als die Sendung Minuten hat. Und dass Sportler nicht später, sondern nur gesünder sterben, ist auch längst bekannt.

Achso, die Biobrühe habe ich noch nicht probiert. Aber Adlerauge sei wachsam! Schon auf der Verpackung wird geworben, dass die Brühe lt. Gesetz ohne geschmacksverstärkende Zusatzstoffe auskommt, so ganz klein neben dem fetten Biosiegel steht es vermerkt.

Was haben wir nicht alles getan mit unserem Geld?

Da wäre ich glücklich, hätte ich nicht auf die Zutatenliste geschaut. An Platz 2, also am zweithäufigsten: Hefeextrakt. Jener für die Biobranche dankbarer Stoff, um eben doch haufenweise Glutamat in die Pseudo-Gutfühl-Bioprodukte zu pressen, es aber im Saubermann Image nicht auf die Verpackung schreiben zu müssen. Hefeextrakt enthält bekanntlich eine Menge Glutamat, nur ist es gesetzlich eben Hefeextrakt, und Glutamat muss nicht gesondert ausgewiesen werden. Darüber hinaus ist der Hefeextrakt selbst auch nicht aus dem kontrollierten, biologischen Anbau, wie die Verpackung verspricht. Und Maltodextrin ist auch in der Brühe, noch mehr Glutamat. Und was „natürliches Aroma“ ist, möchte ich gar nicht wissen. Vermutlich enthält die Brühe noch mehr Glutamat, als der von der bösen Industrie, die auch schon nur in Ausnahmen genießbar ist.

Ich schließe mit einem Songtext, was auch sonst:

Iss nichts von dem Fisch,
er bringt Quecksilber auf dem Tisch.
Vorsicht mit der verstrahlten Butter,
freß lieber gleich das Hunderfutter.
Finger weg von diesem Ei,
und von hormonverseuchtem Kinderbrei.
Beiß‘ nicht einfach in das Brot,
Insektizide Krebs und Tod.

Vorsicht! Diese Ampel zeigt rot!

Kauf‘ nichts vom Verkäufer im weißen Kittel,
hinterm Rücken versteckt er Konservierungsmittel.
Oma lass das Erdbeerpflücken,
Plutonium ist voller Tücken.
Vorsicht, da sind Salmonellen im Eis!
Vorsicht, fettig und heiß!
Dir droht Herzinfarkt und Raucherbein,
sei schlau und lass das Atmen sein.
Zum Schutz vor Sonne und Ozon,
und lass‘ Dich nicht von Aids bedrohen,
versteck‘ Dich im Gesamtkondom.

Vorsicht! Hier lauert der Tod!

Nicht auch noch das Wasser trinken!
Riechst Du nicht die die Fäkalien stinken?
Jetzt darfst Du nochmal mit dem Handtuch winken,
um danach bis zum Kopf in der Scheiße zu versinken.

Vorsicht! Diese Ampel zeigt rot!
Vorsicht! Hier lauert der Tod!

Abwärts – Vorsicht (1991)

Eine Antwort auf „Hast Du die Biobrühe jetzt mal probiert?“

  1. So, nachdem ich jetzt einige Tage in der Horizontalen verbringen durfte, kam ich zu Genesungszwecken, zumindest redet man sich das ja gerne ein, in den Genuß der Biobrühe. Sie schmeckt wie die aufgekochten Socken der Oma nach Wandertag. Aber das ist bestimmt nur mein Problem.

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