Ich heiße Jupp und bin bei Krupp

Krupp nahtlose Radreifen auf Krupp Eisenbahnschiene
Krupp nahtlose Radreifen auf Krupp Eisenbahnschiene

Oder, wie Wizo lyrisch vorzutragen hatte: Jupp Jupp Pseudokrupp, der Jupp der Jupp hat Pseudokrupp.

Man braucht nicht dem Gedanken zu verfallen, dass Bleibendes aus Sozialromantik erwächst. Alles, was wir heute bestaunen, und kein immaterielles Gut darstellt, wurde mehr oder weniger blutig erkämpft, und je weiter wir zurück schauen, umso mehr Blut und Schweiß war nötig. Es hat häufig keinen Nutzen. Leuchttürme ohne Lichtzeichen. Nicht durch Reformen wird die Welt verändert, sondern durch Blut und Eisen. Eisen. Da wären wir bei Krupp. Zwar kochte man in Remscheid schon auf und mit dem zähen Zeug herum, als das Ruhrgebiet höchstens Landwirtschaftsmetropole war, doch eine günstige geografische- aber vor allem eine geologisch günstige Lage sollte auch nördlich des Schiefergebirges für wirtschaftlichen Aufschwung sorgen.

Früher war mein kapitalistisches Weltbild noch in Ordnung. Chancengleichheit. Jeder Bürger, so hatte es mir meine Mutter eingeprägt, hat nach dem Krieg mit 60DM begonnen, und die einen waren geschickter, und die anderen eben nicht. Die Annahme basierte auf einer Willensfreiheit, die man dem Menschen gerne so zuspricht, bildet sie doch die Grundlage der Rechtsbarkeit. Das habe ich damals jedoch auf alles angewendet. Jeder ist seines Glückes Schmied heißt es. Schmied. Der Krieg war durch mein Kindesauge soweit weg, wie heute mein Blick auf Mesopotamien. Und deshalb hielt ich es auch gut für möglich, dass eben auch eine Familie Krupp nach dem Krieg alles aufgebaut hat – so aus der Garage heraus. Oder bei BMW. Garage. Oder Müller Milch. Kuhstall. Geschichte reichte bis zur Oma. Und wer kein Milliarden-Imperium aus 60DM gemacht hat, der war halt eben zu blöd. Willensfreiheit. Er hätte es ja besser machen können. Oder er war zu gutmütig. Die Moral bildet hier das Argument der Besitzlosen, um sich über Personen des wirtschaftlichen Erfolgs zu stellen.

Dass ich nicht ganz richtig liegen sollte zeigte sich mir, als ich mir erstmals der wirtschaftlichen und geschichtlichen Dimension bewusst wurde. So ein dimensionales Erlebnis hatte ich in bester Gesellschaft im letzten September: Villa Hügel in Essen. Schon bei der Anfahrt überkam mich die Frage, was eine einzelne Familie mit so viel Rasen anfangen könne, außer sich den ein oder anderen Gärtner zusätzlich zu leisten.

Eiche Rustikal in der Villa Hügel
Eiche Rustikal in der Villa Hügel

Andererseits müsste ich mich dann, natürlich in anderem Maßstab, gleichsam fragen, was ich mit den vielen Sachen im Haus will, wo ich sie doch nicht benötige. So erscheinen mir die ausgeprägten  Grünanlagen der Familie Krupp kategorisch die gleiche Verzweifelung des Konsums zu sein, die wir uns alle, jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten, gönnen. Klar, je mehr Möglichkeiten, umso offensichtlicher tritt der Irrsinn zu Tage. Es scheint mir jedoch billig in moralischer Überheblichkeit oder purem Neid das Schaffen anderer zu kritisieren, würde man es doch im Notfall eben genauso tun. Außerdem sind Zweckbauten hässlich. Also freue ich mich daran, ein paar schöne Fotos geschossen zu haben. Außerdem würde man gerade mir sowieso nie abkaufen, dass ich dem großen Nichts ums Wohnhaus nicht enorm viel abgewinnen könnte.

Villa Hügel Essen - Terasse
Villa Hügel Essen - Terasse

Die Villa Hügel, schon aus geografischer Nähe, sei jedem empfohlen. Lichtstarke Objektive nicht vergessen, die Vollverkleidung aus Holz raubt Luft und Licht. Glücklich ist der, dem die Sonne schien. Aber wie sollte es an diesem besonderen Tag auch anders sein? 9|11 ist mehr als Fundamentalismus.

Villa Hügel Korridor Bibliothek <-> Gartensaal
Villa Hügel Korridor Bibliothek <-> Gartensaal

6 Antworten auf „Ich heiße Jupp und bin bei Krupp“

  1. Ja, alle haben 60.- DM ausgezahlt bekommen, da waren alle gleich.

    Aber wer vorher tausende Hektar an Land besaß, hatte sie danach auch noch. Ok, das und das Folgende galt wohl hauptsächlich im Westen Deutschlands. Wer Anteile an allen möglichen Firmen besaß, hatte sie ebenfalls noch. Wer Produktionsstätten oder Immobilien besaß, hatte sie im mehr oder weniger kaputten Zustand immer noch. Wer ein schweizer Golddepot hatte, der hatte es danach immer noch (sofern er nicht nicht ermordert wurde). Krupps, Quandts, Haniels und viele, viele andere im Krieg gut gelittene Industrielle waren es nach 1948 immer noch.

    Das alle 1948 bei Null angefangen hätten ist ein so abstruses Märchen, dass man sich fragen kann, warum es eigentlich zum Allgemeingut werden konnte.

  2. Schöne Fotos, vor allem das Bild aus dem Korridor gefällt mir sehr gut. Ich wohne zwar schon seit einiger Zeit in Essen, habe es aber tatsächlich noch nicht geschafft, dieses Bauwerk aufzusuchen. Werde dies nun aber schnellstmöglich nachholen, auch wenn dort die Kapitalisten+Kriegsgewinnler hausen… Fotoapparat nehme ich auch mal mit, vielleicht gelingen mir auch ein paar gute Bilder… 😉

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