Die Nikolaus-Sonderfahrten der 41er

41 241 Remscheid Güldenwerth
41 241 Remscheid Güldenwerth

Ein Highlight zum Jahresende in Wiedervorlage. Am Wochenende rund um Nikolaus zog es die Maschinen 41 241 oder 41 360, von der nicht wenige sagen, es seien die Loks mit dem härtesten und lautesten Zylinderschlag, auf die Bergische Runde im Städtedreieck Remscheid Solingen Wuppertal.

Und es war regelmäßig eine Veranstaltung, auf die hingefiebert wurde. Zwar gab es für mich das ganze Jahr über immer wieder Dampfloks zu sehen, doch die 41 war meine unbestrittene Königin: anmutig, grazil – und doch riesig, kräftig und brachial zugleich. Einen halbwegs technisch interessierten Jungen kann eine solche Maschine nur begeistern. Man riecht die Arbeit der Maschine, man spürt den Druck im Zylinder, und wenn sie sich am Bahnhof bei der Abfahrt mit ihrer Pfeife meldet, vibriert der Boden als zöge gerade eine wildgewordene Horde Elefanten vorbei. Das ist einfach eine fantastische Show unbändiger Kraft.

Und doch ging ihr eines Tages die Puste aus, als sie sich den Remscheider Berg hochquälte, jedoch auf dem laubigen Gleis vor dem Schmier auf der Schiene kapitulieren musste. Überhaupt ist eine Dampflok immer dann am interessantesten, wenn sie an ihre Grenzen kommt – wie ein Sportler, der am Zieleinlauf mit einem lauten Schrei noch das letzte Quäntchen heraus zu holen versucht. So steht man wartend am Bahnhof, hört die Schläge der Zylinder und das wiederkehrende Schleudern (Durchdrehen der Räder) bereits aus Kilometer Entfernung durch das Tal der Wupper hinauf nach Remscheid hallen – und plötzlich Stille. Sekunden später steigt eine gerade Rauchsäule aus dem Wald hervor – der Zug saß fest. Seit dem sollte über Jahre keine Dampflok mehr Remscheid erklimmen, ohne eine Schublok am Ende des Zuges als Versicherung mitzuführen, und seit dem fährt bei Sonderfahren am frühen Morgen der Schienenreinigungszug die Strecke ab – Sonderfahren in Remscheid finden irgendwie fast immer zur Herbst- oder Winterzeit statt.

41 241 Rampe Remscheid hinter der Müngstener Brücke 199x
41 241 Rampe Remscheid hinter der Müngstener Brücke 199x

Es ist ein ganz eigentümliches Gefühl im Schotter oder auf dem Bahnsteig zu stehen (lieber im Schotter), die Kälte in jede Pore des Körpers kriechen zu fühlen, und doch unbeirrt immer das Gleis hinab zu schauen, in der Hoffung, am Horizont erhebt sich ein Rauch- oder Dampfsäule. Währenddessen schart sich an bekannten Foto- und Videostandorten eine Traube eines ganz merkwürdigen Menschenschlags. Irgendwie sind Menschen die gerade ihrem Hobby frönen immer merkwürdig. Das ist mir jetzt bei jedem Hobby aufgefallen, bei dem man auf Gleichgesinnte trifft. Und stehen erst einmal ein paar Trainspotter zusammen, beginnt der Reigen unerträglicher Klugscheißerei um die Zeit totzuschlagen.

Hast du schon gehört, sie ist dort gefahren und es ist das passiert. Nein?! Doch! Oh.

Inmitten dieser Traube steht man, als Heranwachsender ohnehin noch ein paar Köpfe kürzer, und versucht verzweifelt durch die geballte Fachkompetenz hindurch irgendwas nahrhaftes aufzuschnappen, doch hinterlässt das Unterfangen höchstens die Existenzangst einer Amsel im Winter. Ist man nah der Zivilisation, z.B. auf einer Brücke postiert, gesellen sich unweigerlich Augenzeugen der guten alten Zeit zu einem, die gleichsam ihre Weisheiten intonieren und das Grundrauschen merklich erhöhen. Wie ein Befreiungsschlag wirkt es da, wenn die Lok am Horizont erscheint, und mit jedem weiteren Schienenmeter das Gequatsche mehr in den Hintergrund schiebt, bis es sich zum großen Finale nicht mehr wahrnehmen lässt. Es riecht nach Dampf und Öl, ein süßlicher und unvergesslicher Geruch. Jetzt schnell ins Auto und unter Mißachtung jeder gebotenen Verkehrssicherheit hinterher. Auf die nächste Brücke, den nächsten Bahnhof, an die Strecke. Den Nachweis, dass der durch die Stadt verwobene PKW Verkehr durchaus schneller sein kann als die Geradlinigkeit einer Zugverbindung, wurde hinreichend erbracht. Nur an den Sonntagen, da waren regelmäßig stolze Daimlerfahrer auf den Straßen unterwegs, die schon von weitem durch den Hut, der durch die Heckscheibe spinkst, klarmachten, ordendlich in die Bremse treten zu dürfen. Nu fahr‘ schon Opa! Opa hat wahrscheinlich gerade Else zum Kaffee ausgeführt. Unterburg oder so, Waffeln futtern, Spazierstock lüften.

1999 habe ich meine letzte Mitfahrt bestritten, wenig später war es ganz vorbei mit der Nikolausfahrt, zumal sich längst das jährliche Brückenfest zu Ehren der Müngstener Brücke etabliert hat. Mittlerweile fährt gar nichts schwergewichtiges mehr über die Brücke, und doch ist es nur das, was sich ein kleiner Junge wünschen könnte.

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