Dann nimm die Hand doch raus du Arschloch!

Judas-Verbrennung - Jährliche Folklore für Jung und Alt
Judas-Verbrennung - Jährliche Folklore für Jung und Alt

Angenommen jemand hat eine Hand im Feuer und beklagt sich ständig darüber, dass es heiß ist: Was mag man einer solchen Person noch sinnvolles sagen? Es ist ja nicht gerade so, als ob man auf dem Scheiterhaufen sitzt und keine andere Möglichkeit hat als auszuharren bis man verdampft wurde, wie z.B. all die symbolischen Strohpuppen beim kulturellen österlichen Einheizen.Zeitungsverleger und Nachrichtenagenturen stürzen sich mit Wonne auf Apple. Es vergeht kein Tag, an dem nicht führende Schreibstuben ihre Werbe-Artikel (zum fremdschämen) auf ihren Startseiten platzieren. Hintergrund ist die Oase sprudelnder Einnahmen des geschlossenen Apfel-Systems vor sich, denn auf dem iPhone und iPad lässt sichs prima leben, und die reale böse Welt des offenen Internets hinter sich. Von der Hölle in die Oase. Der Kontrollverlust begründet im dezentralen Layout des Internet scheint ist die größte Bürde für die moderne und archaische Welt gleichermaßen zu sein. Die einen bekommen ihre Kunden nicht mehr in den Griff, die anderen nicht mehr ihre Untertanen.

Immer wieder ist hier Google Fokus des Wehklagens meinungsbildender Organe des öffentlichen Lebens, weil Google keine eigenen Inhalte liefere, und sich mit ihrer Newsseite „fremden Eigentums bemächtige“, gar „Diebstahl beginge“. „Raubkopie“, so zweieinhalb Schritte vor dem Mord. Dabei hat man das Eigentum erst selbst so teuer von Reuters und Co. gekauft. Schon mal headlines gegoogelt? So geht das nicht! Genau, so muss das auch nicht sein. Es sind nur ein paar winzige Byte, einmalig in eine harmlose Textdatei ins Rootverzeichnis getippt, und die Platzierung der eigenen Seite im Google Index ist Geschichte:

Disallow /

Da hätte man doch erreicht, was man möchte. Warum machen sie es nicht? Weil jammern besser ist und mit beeindruckenden Fantasiezahlen über scheinbare Umsatzverluste (Arbeitsplätze, Arbeitsplätze!) schwachbegabte Politiker zu beeindrucken sind, die infolge dessen irgendwelche Gesetze überlegen um Arbeitsplätze zu sichern, ihre eigenen allem voran. Außerdem wissen die Verleger ganz genau, welchen horrenden Nutzen sie ja eigentlich vollkommen kostenlos aus Google und dem Netz insgesamt ziehen bzw. ziehen können. Denn ein Publizist möchte publizieren. Dafür benötigt er kein Publikum, es rundet die Sache aber doch irgendwie ab. Das Publikum kommt im Internet natürlich von Google in erheblichem Maße (ist der CTR gesund, freut sich der Publizist) . Deshalb findet sich nicht der Ausschluß des bösen amerikanischen Unternemens in der robots.txt, sondern:

Crawl Delay: 1

Die Inhalte können also von der gebeutelten Nachrichtenseite ganz bewusst gesteuert gar nicht schnell genug im Google Index landen, um dann den gewöhnlichen Leser darüber in Kenntnis zu setzen, dass man als Rechteinhaber oder Verwerter so gar nicht amused ist, wozu man Google gerade angewiesen hat. Dabei müssen die Seiten auch schnell im index landen, denn nichts ist älter als die News von gestern. Und wenn morgen Frau Merkel eine heiß diskutierte Bemerkung macht, möchte man natürlich möglichst alle Google Sucher abschöpfen die danach suchen, und Werbung anbieten. Das ist ein gewöhnliches New Media Geschäftsmodell.

Das Jammern besteht nun darin, der viel belesenen und wenig verstehenden Gesellschaft glauben machen zu wollen, dass das alte Geschäftsmodell ja gar nicht mehr funktioniert (hat doch immer gelaufen!), ohne das neue zu erwähnen, oder, und das ist der schlimmste Fall, nicht zu beherrschen. Und Lieschen Müller glaubt auch noch ernsthaft über ein altes Geschäftsmodell jetzt auf dem neuen iPad Geld für eine Ware zahlen zu müssen, die bereits mit dem neuen Geschäftsmodell finanziert wurde. Ein einträgliches Geschäft. So verlockend, dass man tatsächlich noch die Frechheit besitzt gegen Google zu klagen und an der gesamten Struktur des Systems zu rütteln, statt sich die Blöße zu geben und die 8 Byte auf dem Webserver zu speichern, der Google veranlasst nicht mehr zu indizieren. Lieschen Müller, die Apfel Teile und das Geschäftsmodell der Papiermedien in Bits und Bytes, das passt einfach. Denn das Geschäftsmodell des Abverkaufs ist in etwa so innovativ wie das Design von Apple. Zwei Suchwörter für die Google Bildersuche: +Apple +Braun.

Nein nein, es geht ja nur um die News Seite! Denn vielleicht landet der Besucher ja gar nicht auf meiner nach allen Regeln der Kunst aufbereiteten Werbeanzeige neben der Kurzmeldung von Reuters, sondern verbleibt auf der Google News Seite! Dann ist mein CTR mangels T im Arsch und der ganze Mist ist umsonst. Mein Vorschlag: Google zahlt pro Artikel so viel Geld an die Verleger, wie die Verleger pro Leser der von Google kommt. Eine Nullrechnung, passend zugeschnitten auf schreibende Rechenschieber-Nullnummern. Es ist nicht verständlich, wieso man einerseits durchaus in der Lage ist mit der Google-Maschine zu kommunizieren wenn es mal wieder schnell gehen soll um Einnahmen zu generieren, andererseits aber der Rechtsweg bestritten wird, weil es unzumutbar erscheint mit der Google-Maschine zu reden, wenn es gar nicht gehen soll.

Kein Verlag kann ohne Google, und es ist eine Frage der Vernunft nicht die Hand zu beißen, die einen füttert. Ich würde wirklich gerne einmal die Reaktionen erleben, wenn Google mal eine Woche alle Nachrichtenseiten aus ihrem index wirft. Da kann man dann sehen, nach welchem Geschäftsmodell die Seiten gestrickt sind.

Um im Holzmedien Vergleich zu bleiben: Hier wird ein Popanz aufgebaut, als würde der Springer Verlag gegen Kioskbesitzer klagen, weil seine Kunden im Kiosk gar nicht alle die Zeitung kaufen, sondern beim in-der-Schlange-stehen nur kurz gelangweilt drin rumblättern und es wieder zurück legen (Diebstahl!), oder beim Bäcker einen flüchtigen Blick auf die übergroße Headline wirft (Frevel!). Und da der Kioskbesitzer die Inhalte mehr oder weniger nur bereitstellt statt zu verkaufen (Raub!), muss er natürlich für jeden Nicht-Verkauf zahlen. Und die Differenz aus den tatsächlichen Verkäufen und der Gesamtzahl an Augen an der Zeitung ergibt den verlorenen Umsatz (Marketing). Deshalb sind Holzmedien auch gefächert im Regel aufgereiht, das erhöht die Sichtung! So kommt auch die Musikindustrie zu Schadenersatzklagen mit Schadenssummen, die höher sind als die Gesamteinnahmen seit Schellack, mehr noch: Mehr als das Bruttosozialprodukt der ganzen Welt ist einer einzigen Firma an Schaden entstanden, wohlgemerkt durch eine Nischen-„Raubkopie“-Seite. Die ganze Posse.

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