Versöhnliches zum Moscheebau

Der Türke ist die Strafe Gottes, das wusste schon Martin Luther, einer der besten Deutschen, wie die Deutschen selber abgestimmt, und das ZDF es gerne proklamiert hat. Der gute Peter Frey, der gute Peter Hahne. Da sind wir in Sachen Pluralismus ja auf einem ganz guten Weg. Die protestantische Pfarrersfrau aus Hamburg, nebenberuflich im Bereich Bundeskanzlerschaft tätig, mahnte vor nicht allzu langer Zeit noch, doch mal wieder christliche Werte zu wagen und die Botschaft freudig ins Land zu tragen. Wohlan! Da ist es nur folgerichtig, wenn man als original biodeutscher Landsmann aus ungespritztem Anbau ohne Geschmacksverstärker einen Moscheebau ablehnt, indem, wieder nach Luther, die Religion der Türken, die des Teufels, gelehrt wird. Das ist, um es nach Bundespräsident Wulff a.D. zu sagen, unsere „christlich-jüdische Tradition“. Jaja, der Moslem gehört noch so irgendwie dazu heute, als Wurmfortsatz. Und sonst gibts eh nichts. Ein paar Esoteriker, aber wer kann das schon ernst nehmen gegen die Lange Tradition des Wunderglaubens.Ich habe ja ganz andere Zweifel. Ob der Teufel jetzt mehr im Islam oder dem Christentum steckt… vermutlich steckt er in den Köpfen derer, die ihn dringend brauchen. Das hat er mit Gott gemein, und beide machen nur zusammen sinn wie Aronal und Elmex. Aber ich frage mich schon, ob wir als aufgeklärte, pluralistische und säkulare Gesellschaft noch immer so dringend diese Tempel brauchen, dass wir jetzt auch noch neue bauen müssen. Ein Fehlschluss meinerseits. Offensichtlich sind wir gar nicht aufgeklärt. Haha, da habe ich mich ganz schön verhaspelt. Das mit der Aufklärung ist auch eigentlich unnötig anstrengend. Herr befiel, wir folgen. Bis in den Tod. Möglichst der Tod anderer. Wir das ewige Leben. Dafür machen wir den Kram ja. 5 mal am Tag auf den Boden werfen, dass schlechte Gewissen wenn wir Batterien in den Hausmüll werfen. Für alles steht eine Lösung, ein Ablass, ja schon bereit.

Der Moscheebau ist die Monstranz unserer Gesellschaft, mit der wir heute Integrationswillen und Toleranz demonstrieren. Ein Schlag ins Gesicht für all die, die gerade aufgrund religiöser Verfolgung den Weg in unser schönes Land suchten. Ja, ich habe schon in meiner späten Schulzeit im Politik- und Religionsunterricht kritisch angemahnt, dass es ein Unding ist die Leichenknabberer in jedem Stadtzentrum bimmel-bammelnd und in bester Karneval-Kutte verkleidet ertragen zu dürfen, die Teppichbeter müssen aber mit verlassenen Industriehallen und alten Güterschuppen vorlieb nehmen wo der Schimmel den Bruchstein angreift. Überhaupt war in der Schulzeit die Welt noch in Ordnung. Es entstand eine freudige Lücke zwischen dem Russen vor der Tür und dem Moslem im Flugzeug. Wir waren einfach Schüler, Kumpel, Klassenkameraden. Einen Scheißdreck hat interessiert, aus welchem Land wir kamen oder welcher Religion wird angehören mussten, weil unsere Eltern das für unbedingt erstrebenswert hielten. Der Türke musste nicht 10mal am Tag auf das Grundgesetz schwören, der Deutsche fühlte sich nicht verfolgt von fremden Kulturen. Das ist vorbei.

Doch bleibt die bedingungslose Akzeptanz der Intoleranz genauso fragwürdig, wie die Toleranz der Bedingungslosen. Ich bin noch uneins, ob ich über „Remscheid tolerant“ jetzt lachen oder weinen soll. Wirklicher Integrationswille beginnt erst dann, wenn man nicht in riesen Lettern die Anzahl der Nationalitäten einer Stadt beziffern muss, wenn man durch die Division erstmal Gruppen bildet um dann mit stolz geschwellter Brust zu verkünden, wie wenig man gegen die eben so sorgsam separierten „Ethnien“, „Nationen“, oder „Glaubensrichtungen“ hat, zumal sich das nach meiner Erfahrung in so manchem Betrieb und so mancher Wohnsiedlung, deren Vertreter bereits artig die Liste füllen, als Lippenbekenntnis entpuppt. Wirklich auf der Straße stehen hinterher sowieso wieder andere. Wer sich nicht pausenlos über Unterschiede definieren muss, der braucht auch keine Ökumene um zusammen zu finden. Eine linke Partei, die extra noch die Wortschöpfung „Biodeutscher“ ins Felde führt um klare Genzen zu ziehen, spricht Bände. Aber in eine „Remscheid tolerant“ Liste kann man sich schon mal reflexartig eintragen. Besonders belustigend ist, dass laut „Remscheid tolerant“ in Remscheid erklärtermaßen kein Platz für „Fanatismus“ ist. Dies in Beziehung zu setzen mit der Befürwortung eines Moscheebaus bzw. einer religiösen Toleranz ist wohl eher unfreiwillig komisch.

Das eigentliche Problem an „Remscheid tolerant“ ist, und da haben die Pestpocken aus Köln ihren gehobenen Anteil daran, dass jede kritische Auseinandersetzung direkt im Vorwurf rechtsradikaler Tendenzen mündet, man als religionskritischer Mensch unweigerlich im Topf der Nationalen landet, nicht zuletzt, weil wir Nationalitäten auch gerne ausschließlich mit oder über Religion definieren, besonders wenn sie mit Sandalen nach Deutschland kamen. Der Türke ist nunmal Moslem, punktum. Und spricht man mit allzu zu kritischer, sarkastischer oder zynischer Zunge über den Islam, der wie alle monotheistischen Religionen genug Potential dafür bietet und täglich sein Gewaltproblem zur Prime-Time aufs Neue beweist, ist man automatisch Rassist. Die eingeforderte Toleranz gerät hier schnell an die eigene Grenze. Das ist schade, denn in Zeiten sich fundamentalisierender Religionsanhänger ist es dringend geboten Kritik zu üben auch an den Stellen, die vermeintlich friedlich doch nichts anderes machen, als ein patriarchales Parallelsystem mit Herrschaftsphantasien in unserem Land zur Blüte zu verhelfen. In Zeiten, in denen die offeneren Glaubenssysteme massiv an Mitgliedern verlieren und Evangelikale ganze Stadien füllen, die Lektüren von der ordentlichen Züchtigung des Nachwuches verehren (Nett umschrieben mit „Wie man einen Knaben gewöhnt“), und Extremisten Menschen wegbomben wollen, ist Kritik Pflicht. Diese darf und sollte im Rahmen der Kunst auch weh tun. Die Rechnung hat man aber sicher ohne „Remscheid tolerant“ und einer Vielzahl seiner Unterzeichner gemacht. Und in allen lokalen Medien wird deutlich, wie behutsam das Thema angepackt wird, dass sich bloß niemand aufregen kann, hinterher sind wir noch Nazis, oder sympathisieren mit diesem Kölner Karnevalsverein! Keine gute Grundlage.

Wir sind die Leichen von Kalkutta
und Heroin aus Amsterdam
Das gelbe Fieber aus Rotchina
und eine Strasse nach Hanoi
Wir sind die Ratten aus Neu-Delhi
und eine U-Bahn in New York
Wir sind die Cholera bei Hertie
und das Plastik aus Hongkong

Ich traf meinen Bruder in der Sahara
er fragte mich nach einem Transistorradio
und einem Arbeitsvertrag in der Bundesrepublik
In irgendeiner Fabrik
Transistorbruder in der Sahara
willst du auch ein Stück vom großen Kuchen?
Vom großen Bruder?

Wir sind die Bomben von Hiroshima
und so süß wie Marzipan

Abwärts – Türkenblues (1980)

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