Wo bitte geht’s zur Vernunft?

Illustration aus "Wo bitte geht's zu Gott fragte das kleine Ferkel" © Alibri Verlag Aschaffenburg
Illustration aus "Wo bitte geht's zu Gott fragte das kleine Ferkel" © Alibri Verlag Aschaffenburg

Nochmal ein echter von der Leyen. Auf dem Rücken mißbrauchter Kinder hat sie unlängst versucht ein wahlkampftaktisches Alleinstellungsmerkmal zu finden. Der Versuch ist ja nach der Wahl recht schnell im Sande verlaufen. Und wenn es um den Glauben geht ist sich die gute Frau der Christlich Demokratischen Union auch nicht zu schade, ein weiteres Opfer aus dem Wandschrank zu holen, in den Spot zu stellen, um so mannigfaltig zur Durchdrückung des eigenen Weltbilds den unbedingten Handlungsbedarf zu untermauern. Auch hier verschwand das Opfer wieder im Schrank, weil es sich, ähnlich wie im Kinderporno Fall, nicht instrumentalisieren ließ.

Worum geht es? Michael Schmidt-Salomon, medial ernannter Chef-Atheist (wenngleich er dem Titel wenig abgewinnen kann), hat in Zusammenarbeit mit dem Illustrator Helge Nyncke ein Kinderbuch auf den Weg gebracht, dass als Gegengift der Indoktrinierung unserer Kinder eine heilsame Wirkung zu entfalten vermag. Das kleine Ferkel lebt glücklich und zufrieden mit dem kleinen Igel und glaubt, dass nichts ihre Welt noch besser machen könnte – bis sie auf ein Plakat mit der Aufschrift „Wer Gott nicht kennt, dem fehlt etwas“ stoßen. So begeben sie sich auf die Suche nach Gott, und landen bei den drei großen Weltreligionen, deren Absurdität der Riten und Mythen durch nüchterne Betrachtung und einfache kindliche Fragen entlarvt wird. Als es sich Ferkel und Igel mit allen Religionen verscherzt haben, suchen sie schnell das Weite, und der Rabbi, der Mufti und der Bischof streiten sich um die Deutungshoheit, während das Ferkel und der Igel wieder glücklich ohne Gott den Tag genießen.

Was ist daran schlimm?

Wir haben noch immer in Deutschland den Blasphemie-Paragraphen (§166), der nach dem Willen der CSU noch verschärft werden soll. Anstatt Aufklärung voran zu treiben, garantieren wir gesetzlich gerade zu Parallelgesellschaften und gönnen uns in einer wissenschaftlichen, aufgeklärten Gesellschaft das verbürgte Recht, genau dieser Errungenschaft gegenläufig sein zu dürfen. Schon das Ferkel sei eine Provokation, und dann wird sich auch noch kräftig lustig gemacht:

Der Gotteszauber auf dem Globus
ist fauler Zauber: Hokuspokus
Rabbis, Muftis und auch Pfaffen
sind, wie wir, nur nackte Affen

Zudem werden die heiligen Stätten als Gespensterburgen betitelt, in denen, wenn es Gott gibt, ganz bestimmt nicht wohnt, und das Buch kommt zu dem Schluß:

Und die Moral von der Geschicht‘:
Wer Gott nicht kennt, der braucht ihn nicht!

 

Die ehemalige Frau Familienministerin sah Handlungsbedarf, und führte Argumente an, die immer gut ziehen:

das Buch sei antisemitisch [..] insbesondere [wird] das Judentum als besonders Angst einflößend und grausam dargestellt. Ja, es werde der Eindruck erweckt, „dass die jüdische Glaubensgemeinschaft andere Religionsgemeinschaften vernichten will“.

Zunächst mein Einwand: Jede Religion missioniert sich blöd. Liegt in der Missionierung nicht grundsätzlich, je nach Schöpfungsgrad schon rein mathematisch, die Vernichtung einer anderen Religionsgemeinschaft? Erst kürzlich gab Benedikt doch zu Protokoll für die Juden zu beten, dass sie den rechten Glauben erkennen mögen. Vertreter der katholischen Kirche, selbst in diesem Buch in der Kritik, gingen noch einen Schritt weiter, und verglichen Illustrationen eines jüdischen Rabbi gar mit Werken des Stürmers. Blöd nur, wenn das Opfer nicht mitzieht, und so konstatierte der Zentralrat der Juden:

Der Meinung, das Buch sei antisemitisch, kann man so nicht folgen, da es gleichermaßen alle drei großen monotheistischen Religionen verleumdet.

Und weil es verleumdet, gehört es unbedingt indiziert, denn

Ziel des „Machwerks“ aber sei es, Kindern jedweden Gottesglauben zu vergraulen

Nun ist, wer angegriffen wird, schnell verallgemeinernd und ungenau. Der Unterschied liegt tatsächlich darin, dass das Buch eben nicht, wie jede der großen Weltreligionen, vermittelt, die eigene sei die unantastbar richtige Religion und alle anderen falsch, sondern dass eben alle Religionen höchst fragwürdig sind, wenn man sich ihnen geschichtlich und kritisch, oder eben kindlich nähert – ohne jahrzehntelang erlerntes Glauben. Die kritische Auseinandersetzung mit Religon gerade schon im Kindesalter sei gefährlich, da es Kinder desorientieren könnte. Natürlich ist es viel sinnvoller Kindern einen Gott zu lehren, der eifer- und rachsüchtig ist, einen Teil von sich in der Wüste selbst reinkarniert, über Propheten im Stille-Post-Prinzip sein Wort publizieren lässt, und in seinem Wort widerruft, was er an anderer Stelle als unbedingtes Faktum aufgestellt hat, und offen den Rassismus beflügelt. Dies ist für Kinder sicherlich eine vernünftige Orientierung. HALT! Deutungshoheit hat die Kirche! Für Kinder ist eine vernünftige Orientierung auf die Worte derer zu hören, die die Anmaßung besitzen deren Vertreter zu sein. Und gerade weil diese Deutungshoheitspersonen in dem Buch nicht zum Besten bestellt sind, besteht Handlungsbedarf.

Dem Indizierungswunsch wurde seitens der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nicht entsprochen, es ist nicht jugendgefährdend, auch wenn es sich kritisch mit den drei Weltreligionen auseinandersetzt. Die Reaktion der CDU/CSU Fraktion darauf war ein „ja, aber trotzdem„. Das kennen wir aktuell von der Vorratsdatenspeicherung.

Schmidt-Salomon hat nachgelegt

Aktuell stehen wir in Hessen wieder kurz davor, die Schöpfungsgeschichte im Biologie(!)unterricht den Kindern nahe zu bringen. Argumentiert wird, dass man den Kindern beides nahe legen müsse. Susi Neunmalklug sieht das Ganze kritisch:

Und zum Schluß noch der überlange Evolutions-Vorspann der Simpsons:

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