Der Feind läuft davon…

… und wir schauen tatenlos zu!

ARD Brennpunkt zwischen der Tagesschau und „Traumhotel Tobago“. Da sitzt man in der warmen Stube und sieht Menschen auf der Straße, die für sich kämpfen. Hamed Abdel-Samad hat vor nicht allzulanger Zeit beschrieben, dass den islamisch geprägten Ländern die Zeit davon läuft, wenn sie weiter ihren Koran zum Gesetz erklären und die moslemisch-beleidigte-Leberwurst spielen. Und jetzt erleben wir binnen kurzer Zeit nach Tunesien einen Aufstand in einem weiteren moslemisch geprägten Land?

Plötzlich erleben wir nach einem zunächst spürbaren Anstieg und einer Radikalisierung des Glaubens binnen weniger Jahre, dass Moslems jetzt für „westliche Werte“ auf die Straße gehen, Menschenrechte und Demokratie fordern. Wo ist der großartige Schrecken hin, der uns immer wieder aufgetischt wird? Der große böse Islam, und die große islamische Sippenhaft? Junge Ägypter schauen in die Welt und sehen, dass Ihre Regime und nicht zuletzt die alles rechtfertigende, patriarchische Staatsreligion in dieser Form ausgedient hat, weil ihnen der Rest der Welt davon läuft. Mit dem eigenen Kampf um Menschenrechte und Demokratie ginge uns der nächste große Feind verloren, und die Amerikaner, die immer gut darin waren ihre gefälligen Diktatoren in der Welt zu platzieren, fürchten öffentlich einen Regierungsputsch. Denn der Wandschrank des Bösen leert sich zunehmend in einer Welt, die sich mehr und mehr vernetzt, und wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit in der Lage ist, die Stimme zu erheben und sich zu organisieren. Die Grenzen verschwimmen, und mit wikileaks scheint der Feind im Land die Freiheit zu werden. Was würden die armen Amerikaner, die ohnehin wirtschaftlich am Boden sind und sich mit Waffenproduktion über Wasser halten, nur ohne Feind? Klar, einen neuen installieren. Aber wen? Bin Laden kam doch so gelegen, und jetzt schicken sich so ein paar Freiheitsdenker an, jahrelang aufeinander eingespielte Systeme niederzureißen? Dabei habe ich mir beim check-in so gerne an den Sack packen lassen. Das habe ich mir verdient! Jetzt noch schnell eine Steinigung im Iran zwischenschieben!

Und die Schauspieler von „Traumhotel Tobago“ haben schon vor 30 Jahren genau die gleichen Filme gemacht und die selben Dialoge geführt. Das ist wahre Liebe zum Beruf. Der Malocher am Fließband macht ja auch seit 30 Jahren nichts anderes. Brauchen Sie die Quittung?

http://www.youtube.com/citizentube

Update: Und was machen eigentlich die Deutschen Nachrichtensender derzeit? Zweite Weltkrieg und Tier Dokus. Scheint nichts los zu sein in der Welt. Oh halt – CNN sieht das noch anders. Gut, dass ich GEZ zahle! Traumhotel Tobago war wunderschön. Vielleicht plane ich mal einen Urlaub in Ägypten.

6 Antworten auf „Der Feind läuft davon…“

  1. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende! Und ich bin da besorgt! Frankreich wollte Ben Ali ja zunächst noch beim Machterhalt helfen!

    Aber was passiert, wenn unsere neoliberale Politik den Ländern Nordafrikas keine Chance gibt? Die Jugend, die jetzt auf die westliche Errungenschaften hofft, könnte den Lehren anderer Heilsbringer verfallen. Der Islamismus kann hier immer noch Boden gewinnen. Im Iran haben nicht nur islamisten den Schar gestürtzt, aber die haben es an die Macht geschafft und zumindest eine Revolte überlebt.

    Aber wir haben jetzt nur diese Chance: Unterstützen wir die Demokratiebewegung und geben wir den Staaten des nahen Osten eine echte Chance. Aber da befürchte ich, wird unsere Politik wieder mal versagen. Mich hat Tunesien an den Herbst 1989 erinnert, als die Ostberliner Diktatur fiel. Und das ist ein sehr freudiges Ereignis.

    Aber: Die Probleme müssen angegangen werden. Wie in einigen Regionen im Osten die NPD Wahlerfolge feiert, könnten die verzögerten Gewinner des Umbruchs die Islamisten sein. Und damit das nicht passiert, gilt es jetzt die Chancen zu nutzen. Tunesien hat ja Öl. Und wenn das Land beim Einsatz seiner Mittel gut beraten wird, könnte es mit den Einnahmen einiges bewegen. Es bleibt nur die Frage, ob unsere oligarchischen Politiker wirklich an einer echen Demokratie in Tunesien ein Interesse haben? Wird Tunsien wirklich demokratisch werden oder bildet sich eine neue Oligarchie heraus?

  2. Ich denke, dass nichts den Islamisten mehr in die Hände spielen würde, als eine weitere intensive Einmischung in die Innenpolitik. Ich denke, dass Länder wie der Iran weitaus säkularer sind, als dies offiziell vom Einzelnen verkündet werden darf. In durch die Beschränkung des eigenen Standpunkts bigotter Weise jetzt dem armen rückständigen Moslem den Frieden, Demokratie und Freiheit zu bringen… ich bin unsicher. Solange wir Tote in Afghanistan als Kollateralschaden bezeichnen und in dem Versuch eine Idee wegzubomben uns monatlich ein islamisches 911 gönnen, scheint es mir, als seien wir wenig geeignet, weil wir das Prinzip von Gut und Böse noch immer nicht abgelegt haben, und uns obendrein immer als die Guten sehen.

    > Wie in einigen Regionen im Osten die NPD Wahlerfolge feiert
    Ich kann mich täuschen, aber meines Wissens war das in all den Jahren bisher nicht gerade geprägt von nachhaltigem oder inhaltlichem Erfolg.
    http://www.youtube.com/watch?v=lFTezHoolJA

  3. In den Ländern ist Jahrelang misswirtschaft betrieben worden! Wenn wir denen nicjt helfen, kann die Revolution nur scheitern! Da wäre eine sinnvolle Unterstützung sinnvoller, als die Militärausgaben für Afghanistan. Da ich aber unsere Regierungs- Politiker für Lobbyisten halte, die sich nur als Demokraten tarnen, befürchte ich, dass die eine echte Hilfe nicht hinbekommen, weil die Lobbys keine echte Demokratie wollen. In der Schweiz versichen berteelsmann und Co langsam die direkte Demokratie auszuhöhlen und die EU- Verfassung kann uns noch manche undemokratsiche Überraschung bringen, wenn wir nicht sehr wachsam sind.

    http://www.zeit-fragen.ch/suche/?tx_indexedsearch%5Bsword%5D=bertelsmann

    Demo am Samstag vor Landtagswahl 2010 in Wuppertal Barmen:
    http://www.youtube.com/watch?v=5tctmRASopY

  4. Also ich weiß nicht.

    > Wenn wir denen nicht helfen,
    > kann die Revolution nur scheitern!

    Das klingt nach GAÜ – größt anzunehmende Überheblichkeit (kommt für mich allerdings zugegebenermaßen nicht unerwartet). Es sei denn, man ersetzt die Revolution gegen „Revolution in unserem Sinne“, dann könnte ich Dir zustimmen.

    Allerdings frage ich mich ernsthaft, schaue ich in den Irak, schaue ich nach Afghanistan, nur um aktuelle Bereiche zu nennen, ob, und in welchem Sinne unsere Hilfe wertvoll wäre. Ich habe nicht das Gefühl, dass der Westen in den letzten 50 Jahren irgendwo wirklich nachhaltig geholfen hätte. Ich komme eher zu gegenteiligem Schluss.

  5. Mal ganz einfgach: Die Leute revoltierenauch auch wegen Arbeitslosigkeit! Die kann man aber nicht wegzaubern! Man kann einen Rahmen schaffen, der die Schaffung von Arbeitsplätzen erleichtert, man kann Bildung und Fortbildung unterstützen, um Menschen für gutes Handeln fit zu machen, man kann diesen Ländern besseren Zugang zu den EU- Märkten geben, damit die neue Demokratie eine Chance hat, man kann auch Ratgeber schicken, die empfehlen, wie man das Ölgeld sinnvoll einsetzen kann, ……

    In Afghanmistan und Irak wird nicht geholfen. Als es im Südirak nach dem ersten Golfkrieg einen Aufstand gab, hat man den von Sadam niederschießen lassen, giftige Uranmunition wurde in diesen Ländern verchossen und hat Landstriche für die Ewigkeit verseucht. Wie man helfen kann, zeigt Dr. Erös, der es sogar unter den Taliban schaffte, Mädchenschulen aufzubauen. Und unter den Taliban gab es weniger Drogenhandel, Konvertiten droht in Afghanistan unter dem Schutz westlicher Soldaten noch immer die Todesstarfe! Hier geht es nicht um Hilfe, sondern um den Zugang zu Rohstoffen und strategischen Basen. Und die vielen Toten bei der und durch die Bundeswehr! Das schreit doch zum Himmel!

    Das alles halte ich für Geldverschwendung und Mord. wenn man Geld ausgibt, dann in den Versuch, die Demokratiebewegung in Nordafrika zum Erfolg zu führen.

    Aber, so, wie ich das sehe, wird es dass alles nicht geben. Ich kann eh nur zuschauen. An den Schaltzhebeln sitzen dank vieler Wähler und Nichtwähler leider die falschen Leute, die unseren Planeten ruinieren und nicht die Chancen nutzen, eine menschliche Zukunft für alle zu schaffen.

  6. Es geht um eine Demokratisierung Felix, nicht um Arbeitsplätze! Das Land ist nicht arm. Das Land ist nicht per se ungebildet. Weder Ägypten, noch Tunesien. Sie brauchen weder Missionare für Handel oder Bildung, noch für Menschlichkeit. Es herrschen doch beste Kontakte zum Westen. Genau das ist doch das Problem! Sie brauchen die Absetzung der Diktatoren, die aus Bequemlichkeit und Eigennutz durch den Westens am Leben gehalten wurden und werden. Und genau dieser Eigennutz des Westens, der sich immer wieder Diktatoren gönnt und Millionen Menschen unterdrückt, ist es auch, der mir die Überzeugung gibt, wir sollten einfach mal die Schnauze halten, wenn wir nicht gefragt werden.

    Das größte Problem des Westens ist doch, dass hier ein enormes Potential (75% < 30) bislang erfolgreich unterdrückt wird, nun aber seine Stimme erhebt. Es ist spannend zu sehen, wie sich die Repräsentanten so äußern.

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