Plädoyer für Hi-ISO

HI-ISO H1.0 100% CROP
HI-ISO H1.0 100% CROP

Ja, man mag Beweggründe des Marketings anführen, die Empfindlichkeit der Fotochips bis ins Unermessliche aufzublasen. Man bekommt fast das Gefühl, zum fotografieren wäre Licht in Zukunft eher schädlich.
Der regelmäßige Leser meines verstörten Blogs weiß um meine Bemühungen der Digitalisierung des väterlichen Dia-Archivs. Was mir hier immer wieder ins Auge fiel, ist die Qualität der verwendeten Filme. Das grobe Korn. Und doch sind die 2-3 Bilder eines Ereignisses die einzige bildliche Erinnerung. Gerade die nicht allzu genaue Darstellung übt doch einen großen Reiz auf mich aus. Weil es Vergangenheit ist? Erinnerung? Das Motiv? Eine leicht bekleidete Frau mag mehr Reize liefern als eine komplett entkleidete. Vielleicht ist es gerade die Unperfektion, die Phantasie, die bei alten Bildern meinen Kopf schweben lässt.

Ich habe zugegebenermaßen nie im HI-ISO Bereich gearbeitet, mag mich anfangs wohlmöglich auch an den endlosen Anti-Rausch-Diskussionen beteiligt haben. Meine D300s hat bisher auch nie wirklich mehr als in ISO800 arbeiten müssen. Das liegt wohl daran, dass ich von meiner alten D80 gewohnt war, dass in hohen ISO Bereichen ganze Bereiche absaufen und die Bilder insgesamt sehr flau werden und ich in erster Linie ein Bildschirmgucker bin, und Bildschirme sowas selten verzeihen. Erfreulicherweise ist der Detailverlust bei der D300s weit weniger ausgeprägt als bei der D80.

Hi-ISO ISO6400
Hi-ISO ISO3200

Gut, sehe ich mir jetzt die verkleinerte Version an, komme ich leicht auf die Idee, ich würde auf hohem Niveau jammern. Überhaupt aber ist „flau“ eine Eigenschaft von Farbe. Erschwerend kommt hinzu, dass ich Rauschen nicht im ganzen Farbraum habe, sondern nur im Rot. Warum also nicht das Problem beheben und HI-ISO in schwarz/weiß bzw. in Graustufen?

schwarz/weiß Konvertiertes HI-ISO
schwarz/weiß Konvertiertes HI-ISO

Plötzlich wirkt es schon ganz anders. Und auch die Vollansicht schmeichelt meinem Auge. Natürlich ist das Internet-Ergebnis durch die vielen Umrechnungen ziemlich limitiert.

HI-ISO in schwarz/weiß konvertiert
HI-ISO in schwarz/weiß konvertiert

Nun werfe ich mir direkt selbst den Einwand ein, dass ich doch auch aus einem Bild im „anständigem ISO Bereich“ mit Photoshop und Konsorten eins auf alt trimmen könnte, und ich mir hier nur eine Limitierung des Ausgangsmaterials einhandele. So mache ich ja auch bewusst keine Fotos in irgendwelchen Sepia oder Graustufen Motivprogrammen. Tatsächlich ist es mir jedoch nicht gelungen ein wirklich so sauberes Korn-Chaos in das Bild zu zeichnen, wie es mein Chip im HI-ISO Bereich im Lieferumfang bietet. Das ist ein signifikanter Unterschied zu den Motivprogrammen wie Graustufe oder Sepia, die auch nichts anderes machen als Photoshop. Nachträgliche Körnung hingegen wirkt auf mich immer zu sehr geordnet, zu regelmäßig.

Wichtig ist allerdings unbedingt, dass man im RAW Modus arbeitet, und Krücken wie „Rauschreduzierung bei ISO+“ bzw. generell die Rauschunterdrückung ausschaltet. Sie sind es ja letztendlich auch, die out-of-cam Farbbilder so verwäscht und verschandelt. Dieses Jahr werde ich wohl wieder so einige Industrieruinen aufsuchen, Vergangenes fotografieren. Erstmals werde ich dabei bewusst die Empfindlichkeit meiner Kamera hochfahren. Es wird mir scheinbar immer unwichtiger das Auge nachbilden zu wollen. Eine gute Geschichte kann besser sein, als die Wirklichkeit.

Gekommen darauf bin ich bei der Arbeit zu meinem Fotobuch 2010 und den Nachtaufnahmen diverser illuminierter Dresdner Gebäude der Inneren Altstadt, noch mit der D80. Als ich die RAWs öffnete, die voreingestellte Rauschunterdrückung auf 0 zurückfuhr äußerte sich mir plötzlich ein ganz eigentümlicher Glanz, der durch meine Erinnerung an den Kurzurlaub eine explosive Mischung bot. Die Bilder verloren ihre Matschigkeit, und ich war erstaunt, wie viele Details, wenn auch verrauscht, die Kamera noch mitnimmt bzw. wie viel die Rauschunterdrückung schluckt.

Und um auf die Dias meines Vaters zurück zu kommen: Er wäre früher wohl froh gewesen, wenn er bei so manchem Foto das er geschossen hat, tagsüber bei Sonnenschein über eine Qualität verfügt hätte, die eine heute halbwegs aktuelle Kamera in HI-ISO auch „ohne Licht“ liefert.

Also, HI-ISO hat Charme! Zeigt her Eure tollen HI-ISO Bilder!

3 Antworten auf „Plädoyer für Hi-ISO“

  1. Megaauflösung und noch mehr Details haben nichts mit der Bildaussage zu tun. Die alten analogen Aufnahmen zeigen mehr das Wesentliche (was nach erfolgreichen Aufnahmen am Ende im Album blieb). Nicht nur der Film sondern auch die Art der Fotografie (länger nachdenken, mache ich das Foto oder nicht und wenn ja wie und von wo) beeinflussen am Ende das Bild und tragen auch Ihren Teil zum Charme der alten Fotos bei. Heute wird einfach auch zu schnell fotografiert und hinterher überlegt wie es bearbeitet werden kann.
    Einige Fotografen arbeiten digital und auch analog. Letzteres vor allem in Schwarz-Weiß. Abseits aller ästhetischen Diskussionen habe die analoge Fotografie auch technische Vorteile. Beispielsweise bei Architektur-Aufnahmen. Die Zukunft ist digital und analog (S/W) denke ich. Oder vielleicht gehört sie denen, die digital fotografieren und analog (denken) arbeiten.

  2. Da wartet man monatelang auf einen neuen Blogeintrag, und der Kerl schippert ungefragt und unbeobachtet zugleich zu neuen Ufern!

    HI-ISO, ist, je nach Modell, mittlerweile schon fünfstellig.

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