Papst ahoi!

Nehmen ist seliger denn Geben
Nehmen ist seliger denn Geben

Respekt muss man sich erarbeiten hat meine Mutter mir immer eingetrichtert. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen formt es den Charakter, zum anderen kann es dazu verleiten Autoritäten nicht als gottgegeben zu akzeptieren, sondern zu hinterfragen. Dass ich ein Problem mit Autoritäten habe, war schon meinen Lehrern bewusst. Ein Gedanke, so schien es mir, war nicht deshalb automatisch gut, richtig oder zu befolgen, nur weil eine in der Hackordnung durch welchen Umstand auch immer höher gestellte Person ihn formuliert hat. Da sind wir nah bei einer der bekanntesten Aussagen Kants:

Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen.

Und genau dieser Verstand, ob richtig oder nicht, lässt mich so einiges fragwürdig erscheinen. Ich habe keinen Schimmer ob mein Verstand stärker ausgebildet, höherwertiger oder bewusster ist als der so vieler anderer. Aber ich weiß, dass ich nur den einen Verstand habe, und ich mich stets vor meinem Verstand rechtfertigen muss. Es käme einer Gehirnwäsche gleich, würde ich meinen Verstand einem höheren Ziel zuliebe abschalten, weil eine Autorität gerade einen fahren lässt. Ich kann meinen Verstand auch nicht runterfahren, um mein Gewissen zu beruhigen, um Ängste zu betäuben. Der Kampf in meinem Kopf gewinnt fast immer mein Verstand. Das ist wohl genetisch bedingt.

Exkurs: Es ist schon fantastisch. Da sitzen wir auf einem Planeten in einem Universum mit einer Ausdehnung von rund 80 Milliarden Lichtjahren. Das ist eigentlich nicht mehr seriös oder verständlich in Kilometern auszudrücken. Ein Versuch: Ein Jahr hat rund 31536000 Sekunden. Das Licht legt pro Sekunde rund 300.000 Kilometer zurück. Ein Lichtjahr sind damit rund 9.460.800.000.000km. Das ganze 80 Milliarden mal, und mir wird ganz schwindelig, sind 756.864.000.000.000.000.000.000km. In diesem riesigen Universum gibt es hunderte Millionen Milchstraßen mit hunderte Millionen Sonnen, die vermutlich tausende Millionen Planeten um sich scharen. Und ausgerechnet wir, am Rande unserer unbedeutenden Milchstraße, als eine von unzähligen vergänglichen Spezies im Spielball der Zeit – ausgerechnet wir sind das Abbild Gottes. Und der Stellvertreter Gottes kommt auch noch aus Deutschland! Und heute spricht er vor meinen Vertretern.

Das Problem an der Sache: Alles frei erfunden, mir nicht an den Verstand zu bringen. Schwer zu ertragen. Es kommt aus einer Welt, in der man noch ruhigen Verstandes glauben konnte, die Erde wäre der Mittelpunkt und wir die Krone der Schöpfung. Alles sah danach aus, es wäre auch zu schön gewesen. Die Story verkauft man weiter, man nennt es Tradtition. Milliarden kostet das den Deutschen Steuerzahler. Die Kirchensteuer kommt da noch zusätzlich drauf. Nein, der Papst kommt, und schon weil er Papst ist, muss der Inhalt seiner Worte sehr weise sein. Doch beruht das Ganze auf der größten Anmaßung, die man sich überhaupt vorstellen kann. Mit Respekt begegnen wird schwer. Eine größere Respektlosigkeit als die Anmaßung der Kirche kann ich mir nicht vorstellen. Nicht beleidigen wird schwer. Eine größere Beleidigung, als dass die Kirche irgendwas mit Gott zu tun hätte kann ich mir nicht vorstellen. Allzu gerne wird ignoriert, dass die größte Ignoranz und Beleidigung, die größte Anmaßung und die schlimmste Gewalt nicht von denen ausgeht, die leise Zweifel erheben und argumentieren; auch gerne satirisch, zynisch, bissig. Mir scheint, der letzte große Gottesforscher war tatsächlich Echnaton. In dem er Aton als einzigen Gott erhob, war er der letzte wirkliche Reformator und verdammt nah an der Wirklichkeit. Alles nach ihm ist so kleingeistig und größenwahnsinnig zugleich, da fehlen mir schlicht die Worte. Da hilft auch keine Argumentation. Wer Ufos gesehen hat, der hat Ufos gesehen. Und wer glaubt, er redet im Gebet tatsächlich mit Gott, der glaubt er redet im Gebet tatsächlich mit Gott.

Aber lasst ihn reden, und hört alle genau zu! Das größte Problem für die Kirche ist letztendlich ihre Lehre und Glaubenswahrheit im Kontrast zur Welt, in der wir leben. Tritt sie unverholen, und nicht in gelehrter, wohlfeiler Rhetorik zu Tage, wird es dunkel. Da helfen all die Kirchentage nicht weiter. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Statistisch korreliert eine Zunahme der Kirchenaustritte mit den großen Reden des Inquisitors Papstes. So war es, als er Christen nicht katholischen Ursprungs als Christen Zweiter Klasse herabstufte.  So war es, als der den Indios anheim legte, ihre Vorfahren wären nach ihrem heimlichen Willen von den christlichen Missionaren zu hunderten Millionen abgeschlachtet worden. So war es, als er lieber den Pakt mit dem Teufel einging als eine weitere Spaltung der Kirche in Kauf nahm. So war es, als er Christen aufforderte für Juden zu beten, dass sie den rechten Glauben finden mögen. Und das alles in knapp sechs Jahren. Hardliner. Bitte Herr Ratzinger: Seien Sie auch diesmal in Ihrer in Demut verkleideter Überheblichkeit ehrlich, zeigen Sie sich von ihrem nackten vollständigen göttlichen Antlitz. Die Bewegung der Kirchenkritiker wird für Ihre Missionierung dankbar sein, wie sie Overbeck dankbar ist, Zollitsch, Meisner, und dem ganzen anderen Haufen Weisheitspächter. Dem Club starrsinniger alter Männer. Wo die Kirche keine Gewalt mehr ausüben kann, wo das Bild der Hölle nicht mehr wirkt, wo der Mensch seine Endlichkeit als Erlösung akzeptiert statt die Hölle der Ewigkeit unüberlegt wünscht, hat sie verwirkt. Nichts ist schon deshalb richtig, nur weil es ein Papst gesagt hat. Das macht sicher auch nicht alles falsch, was er sagen wird.

4 Antworten auf „Papst ahoi!“

  1. Selbst die allertiefste Kenntnis, und wenn ich der Papst selber wäre, würde nichts daran ändern, dass nach seinen Auftritten die Austritte aufgrund der aufgeführten Argumentationen, ob zutreffend oder nicht, zunahmen.

    Das wird der Kirche wohl durch die neuerliche Rede erspart bleiben. Groschenroman Philosophie mit unausgesprochener aber unmißverständlicher Neuevangelisierungsattitüde.

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