Zweifeln und staunen!

Radevormwald
Radevormwald

Es ist mir schon unangenehm. Aber man wird so überrollt. Ich staunte nicht schlecht, dass sich die evangelischen Kirchen in Radevormwald zusammenrotten und der Pro Christ Bewegung den Hof machen. Nein, eigentlich doch nicht, wo Radevormwald ja schon im Stadtlogo die Kirchtürme stolz präsentiert. Nun wird abermals aus dem Nicht-Wissen eine Tugend gemacht. So las ich im Stadtnetz Radevormwald:

In Radevormwald kündigt sich derzeit für die erste Märzwoche ein christliches Großereignis an, das getragen wird von fünf Kirchen, Gemeinden und Gemeinschaften aus der Stadt auf der Höhe. „ProChrist 2013“ nennt sich diese moderne Form der Vermittlung des christlichen Glaubens, zu der vom 03. bis zum 10. März 2013, jeweils ab 19:15 Uhr ins Wartburghaus geladen wird.

Quelle: Stadtnetz Radevormwald

Das klingt ja richtig lieb, und geradezu revolutionär modern. Das Christentum in der Moderne. Wirklich? Pro Christ… da war doch was?Evangelisch, protestantisch, evangelikal. Das ist doch alles eine Suppe? Weit gefehlt. Gerade die evangelikale Bewegung auf der ganzen Welt, zu der Pro Christ ziemlich eindeutig zuzurechnen ist, ist die Beweisführung schlechthin, dass nicht alles schlecht ist in der Katholischen Kirche. Beispiel gefällig was die Evangelikalen so treiben?

Ein Kind mit der bloßen Hand zu schlagen, ist verheerend. Nehmen Sie eine Rute! Die tue zwar mehr weh, sei aber psychologisch nicht so schlimm. Schläge sollen schmerzen, um Sünden unvergesslich zu machen.
Quelle: ndr

Ja das ist kernig. Die Frohe Botschaft und so. Evangelikale. Es ist nichts anderes als christlicher Fundamentalismus; die wortgetreue Auslegung der Bibel und die Bestreitung seines Lebens nach ihr. Es ist nichts modern an Pro Christ, außer dem Marketing. Die frohe Botschaft ist schnell demaskiert, schaut man in die gesamte Kirchengeschichte zurück. Zu keiner Zeit war es froh, zu keiner Zeit die Menschen in Gerechtigkeit und Freiheit untereinander, solange religiöse Führer glauben sie sprächen für Gott. Europa hat es erstmal um Jahrhunderte zurückgeworfen. Das haben wir überwunden, zumindest in diesem Teil der Welt. Doch genau hier wird wieder fleißig gezündelt, jetzt wo wir doch so dankbar den Islam als religiöse Ideologie als Feind installiert haben, nachdem der Russe als politische Ideologie kein Bock mehr hatte. Irgendwie muss es ja weiter gehen. Und es war ja nicht alles schlecht früher! Immerhin gab es früher keine häusliche Vergewaltigung, Frauen durften nur mit Einverständnis des Mannes wählen, unverheiratete Paare in der BRD bekamen keinen Wohnung zugesprochen. Das war unsere „christlich-jüdische Tradition“™. Außerdem gab es da den Moslem nur im Sozialghetto und die Moschee im Bahnhofshinterviertel.

Wir schlagen keine Kinder mehr, wir indoktrinieren keine Ungläubigen mehr, wir sehen Homosexualität auch nicht als heilbare Krankheit, Behinderte sind nicht vom Teufel besessen, Frauen möchten wir gleichberechtigt wissen, der Jude ist nicht das Böse und wir wissen auch dass die Erde älter ist als 6000 Jahre. Die evangelikalen Strömungen wie Pro Christ sehen das, so hipp sie sich geben, ein wenig anders. Da hilft auch moderne Rockmusik nicht. Und wenn eben die Bibel das Wort Gottes ist weil es in der Bibel steht dass sie das Wort Gottes ist, dann ist die Bibel das Wort Gottes! Und deshalb schlagen wir Kinder, unterdrücken die Frau, verfolgen Homosexuelle und Hexen und versuchen zu bekehren was das Zeug hält. Der Gott der Christen in der Bibel ist halt nun mal genau so wie die Menschen zu der Zeit, als sie ihn erschufen. Da wird man ja wohl mit zu Rande kommen.

Beschämend, dass sich die Kirchen in Radevormwald zusammenrotten um hier zu missionieren bzw. missionieren lassen für etwas, was jeder vernunftbegabte Mensch nur ablehnen kann, und jeder Demokrat in einer Wissensgesellschaft ablehnen muss – denn schlussendlich geht es auch um politische Macht und Einfluss! Doch wenn wir die Schöpfung wirklich als Alternative zur Evolution in den Schulen brauchen, so wie es nicht wenige Evangelikale fordern und tatsächlich auch schon durchgesetzt haben, dann bitte auch die Alchemie neben der Chemie, und die Geschichte von den Bienen und dem Storch statt Sexualaufklärung – damit der Wissenschaftsbetrieb und die Schulen endgültig wieder zum Kaspertheater verkommen. Nur unfreiwillig komisch dass die Evangelikalen ja auch die Sexualaufklärung mit der Zange anfassen.

Eigentlich hatte ich einen längeren Artikel in Planung, dass der freie Westen als Reaktion auf Islamisten und deren Terroranschläge nach 9|11 ideologisch aufrüstet und der einen fragwürdigen Ideologie mit Wahrheitsanspruch die andere ebenso fragwürdige entgegenhält statt sich auf die Stärken besinnt, die ihn ausgemacht haben. Aber das mit der Schärfung eines gesellschaftlich religiösen Profils klappt ja seit Jahrhunderten bestens. Und da wir ja großer Waffenexporteur sind und gleichzeitig auch medizinisch ganz weit vorne… egal! Ich wollte das ein wenig herausschälen, dass wir nicht weit weg sind vom Mittelalter, auch wenn wir uns so aufgeklärt und gebildet fühlen. Die amazon Story dieser Tage zeigt wie bestellt wie lenk- und beeinflussbar wir sind und wie schnell wir bereit sind unsere Vernunft abzulegen; wie schnell wir unkritisch werden und uns dem einfachen Herdentrieb hingeben. Kein Wunder in einer Medienlandschaft, in der man mittlerweile Differenzen und unterschiedliche Ausrichtungen und Ansichten mit der Lupe suchen muss. Die einzige Opposition im Land ist ja mittlerweile das Titanic Magazin….

Zurück zum Glauben: Man erkennt seit geraumer Zeit eine Radikalisierung auf allen Seiten bis in die untersten Ebenen. Nun hat mich die Gegenwart überholt und die evangelischen Kirchen, wie sie es immer gemacht haben, richten ihre Fahne nach dem Wind. Der Wind weht zur Radikalisierung, weil es das einzige ist, womit man Mitglieder locken kann. Es sind die einfachen Weltbilder in einer komplexen Welt, mit der man einfache Geister beschwören kann. Das nimmt sie dann so mit. Hauptsache Du glaubst! Da kann man dann wirklich nur noch zweifeln und staunen. Und man kann auch nur zweifeln und staunen wer zum Kuratorium von Pro Christ gehört. Doch ist allen gemein, dass sie gute Beispiele dessen sind wie unempfindlich man gegen Kritik wird wenn man glaubt im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein. Das fängt nicht bei Christian Wulff an und endet nicht bei Peter Hahne.

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