Von Tauben zu Tauben zum Gedächtnis und zurück

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Vor unzähligen Dekaden, also vor etwas über drei Jahren, hatte ich einen recht umfangreichen Artikel geschrieben, in dem ich Alf, den Messias und die Roswell-Verschwörung untergebracht habe. Jetzt ist mir von irgendwo ein Zitat im Kopf hängen geblieben, welches seitdem immer wieder hin und her hallt. Ich kann es nicht mehr wörtlich aber doch sinngemäß wiedergeben:

Mit einem religiösen Menschen den Glauben zu diskutieren ist wie mit einer Taube Schach zu spielen. Erst schmeißt sie sämtliche Figuren um und stolziert dann ob ihrer Tat voller Zufriedenheit über das Spielbrett.


Dieses Zitat hallt vor allem deshalb so in meinem Kopf herum, weil es den Kern dessen trifft, was ich immer wieder erlebe, lese und sehe. Das hat natürlich Gründe. Es fällt direkt auf dass der Gottesglaube genau das ausblendet oder ignoriert was gegen ihn spricht: Logik. Dabei geht es mir ausdrücklich nicht um eine unkonkrete Gottesvorstellung, sondern die konkrete in Texte gegossene Vorstellung des Allgütigen und Allmächtigen; das Alphatier über dem Alphatier. Und man wird nicht müde die offensichtliche Unlogik mit weiterer Unlogik zu überdecken bis alle so verwirrt sind dass man nur noch hoffnungslos glauben kann oder eben nicht. Das ist dann der Punkt an dem man erkennt dass der eigentliche Wert darin gesucht wird aus dem Umschmeißen der Figuren eine Tugend zu machen, wissentlich oder nicht. Möglicherweise ist es auch nur ein immanenter Dreckeffekt des Konstrukts um das Prinzip am Leben zu erhalten: Aus dem Nichtwissen eine ehrbare Tugend zu machen. Es scheint einfacher zu ertragen zu sein Spielfiguren umzustoßen und sich daran zu erfreuen als Regelkunde zu betreiben. Doch Kurzweil verweilt selten. Auf einer intellektuellen Ebene kann man dem kaum näher kommen. Da wird die Leukämieerkrankung des Kleinkinds auch mal gerne mit der Apostasie der Eltern begründet. Nicht verwunderlich eigentlich, immerhin sagt der Allgütige ja schon im ersten Gebot ausdrücklich, dass er die Schuld des Einzelnen bis in die xte Generation der Nachfahren verfolgen wird, denn er ist ja ein eifersüchtiger und zürnender Allgütiger.

Was ich in Hinblick auf obiges Zitat aber viel interessanter finde, und was das Konstrukt des Glaubens sehr viel anschaulicher werden lässt, ist, dass die Verschwörungstheoretiker sich eine deckungsgleiche Unempfindlichkeit für Argumentation erarbeitet haben. Denn so wie jedes einfachste Argument gegen den fiktionalen christlichen Gott, welcher, wie Schmidt-Salomon mal treffend sagte, an menschlicher Unzulänglichkeit kaum zu überbieten ist, abgeblockt, ignoriert oder ins Gegenteil verkehrt wird weil er unhinterfragbar sein muss, so gehen auch Mondlandungsleugner hin und erfinden in beeindruckender Geschwindigkeit und Phantasie scheinbare Argumente gegen Offensichtlichkeiten die gegen ihre These sprechen. Man wird taub gegen Kritik weil oberstes Gebot zu sein scheint die Theorie zu schützen. Das ist bei der Mondlandung noch kein Problem, aber wenn es um die Krebserkrankung geht wird es schnell tödlich der Scharlatanerie Auftrieb zu verleihen. Doch scheint es tief im Menschen eingewebt zu sein, dass er für etwas was nicht sein kann weil es nicht sein soll jeden Widerspruch verneint oder ihn sogar zur Maxime erklärt. Da wird dann schnell eine beruhigende Begründung gefunden warum der Erzfeind der USA in Zeiten des Kalten Kriegs nie Widerspruch gegen die Mondlandung erhoben hat, oder warum überteuerte Zuckerkügelchen mehr helfen als raffinierter Zucker von Kölln. Einzig der Demut könnte helfen, doch wie unterhält man sich mit jemandem über Demut der die Maßgabe das Abbild Gottes und seine gewollte Schöpfung zu sein in Anbetracht des Universums in dem wir leben ernsthaft als demütig empfindet?

Henryk M. Broder sagte einmal in einer Talkshow dass er mittlerweile wieder an Gott glaube und glaube dass Gott ein Sadist ist, was recht zweifellos deutlich besser zu begründen sei als der liebe und barmherzige Gott. Ich finde diesen Gedanken interessant, denn er sagt im Subtext dass unser Gottesbild notwenigerweise ein idealisiertes ist. Das idealisierteste überhaupt. Aber wer glaubt das? Und warum sollte er in Anbetracht der Welt in der wir leben, und selbst wenn wir den Menschen und seine Taten herausrechnen, ernsthaft noch als barmherziger Gott ansehen? Warum soll Gott ein guter Gott sein? Die Antwort ist einfach: Weil wir ihn uns so ausgedacht haben; er uns so am liebsten ist. Das scheint sympathisch, aber nicht mehr.

Es wäre ja prinzipiell alles kein Problem, solange der Wahrheitsanspruch nicht universell verstanden werden würde. Denn zweifellos haben wir es weder dem Glauben zu verdanken dass wir uns heute in Westeuropa in einem der menschenfreundlichsten Systeme entfalten dürfen, noch haben wir es der Wunderheilung (aka Homöopathie) zu verdanken dass wir lange und gesund leben dürfen, sondern eben gerade einem Prinzip welches keine absoluten und idealisierten Wahrheiten kennt, sondern falsche Ideen sterben lässt statt Menschen für falsche Ideen sterben lässt. Dagegen ist der Glaube an den Inside-Job oder die gefälschte Mondlandung geradezu niedlich harmlos.

Nur weil man sich so daran gewöhnt hat ist es nicht normal
Nur weil man es nicht besser kennt ist es nicht, noch lange nicht, egal

Kettcar – Deiche

Wider der Natur – die ach so naturkundliche Homöopathie

Kräuterhexen, die nächste Schreckensnachricht über Bayer ist bestimmt schon in der Pipeline, haben Konjunktur, und sie scheinen so furchtbar sympathisch. Das Stigma, über Jahrhunderte von der Kirche kultiviert, scheint so abgebaut wie der Glaube an die Auferstehung. Mittlerweile hat die Homöopathie einen Stellenwert eingenommen, dass man geradezu argwöhnisch beäugt wird, entsagt man diesem höchst fragwürdigen „Konzept“. Zudem zeigt die Gemeinde der Zuckerkügelchenlutscher Züge tief religiöser Verhaltensweisen. Kein Wunder, ist es doch genau das.

Kommen Sie uns nicht mit Fakten, wir haben uns unsere Meinung längst gebildet

Eine nicht wörtlich aber sinngemäße Entgegnung wenn man für die Ordnung der Natur plädiert und damit das Weltbild der Kirche oder der Homöopathie hinterfragt, denn der Naturalismus kennt zwar das Unerklärliche, weiß aber dass es an der eigenen Beschränktheit liegt und hat kein Platz für Wunder. Und nur weil ich glaube dass bis zur Unkenntlichkeit verdünnte Stoffe helfen, ist das noch lange nicht der Fall. Nicht, dass das eigene Weltbild noch ins Wanken kommen könnte; und so wird jede noch so absurde These mit noch viel absurderen Begründungen manifestiert. Es ist schlichtweg egal welche Fakten gegen etwas sprechen, wenn das Gefühl etwas anderes sagt. Wer heilt hat recht sagt man gerne und allzu gerne mag ich dem entsprechen. Das problematische daran ist, wenn das eigene Heilungskonzept als normativ angesehen wird. Unzählige Bücher überschwemmen den Markt und jeder hat das totsichere Rezept. Gegen Haarausfall, Diabetes, schlanke Unterschenkel…

Homöopathie ist vor allem eins: Wider der Natur. Ausgerechnet die Homöopathie als naturheilkundliches Verfahren zu klassifizieren ist hierbei genau so eine Werbelüge wie Milchschnitte als eine leichte Mahlzeit für zwischendurch zu bezeichnen. Sanft mag sie sein, die Wirkung der Homöopathie, so sanft wie ein gedachtes Federbett. Wen mag das wundern wenn man wirkstrofffrei arbeitet? Man muss daran glauben dass es funktioniert. Die Wirksamkeit der Homöopathie bleibt ihren Nachweis schuldig. Bis heute gibt es nicht eine einzige Studie, in der die Wirksamkeit über den Placebo-Effekt hinaus nachgewiesen werden konnte und man ist es langsam leid geworden weitere Nullbefunde zu produzieren. Das ist altbekannt. Trotzdem unterstützen Krankenkassen mehr und mehr dieses Verfahren. Einen Moment kann man sich wundern, doch dann segnet der Bundestag ab dass eine Religion das Recht bekommen soll Kinder zu beschneiden und man begreift plötzlich wieder in welcher Welt man lebt. Denn sie ist nicht durch die Vernunft gesteuert oder intellektuell redlich, sondern vom Interesse gelenkt.

Ein Glück für sie, dass das Zeug nicht wirkt

Ein Zitat aus einer Simpsons Folge, in der Homer Simpson in Massen Nahrungsergänzungsmittel kauft. Es gibt eine interessante Parallele wenn man sich anschaut welchen Sondermüll und Giftstoffe man sich mit der Homöopathie einverleibt – dem Glauben nach. Aber es ist eben glücklicherweise nichts davon wahr. Zum Glück ist im Globuli Plumbum metallicum eben nicht mehr der Wirkstoff Sondermüll Blei enthalten. Die Liste ließe sich beliebig erweitern – die groß gewordene Industrie ist erfinderisch und schafft neue Medikamente Zuckerkügelchen schneller als jede Inkubationszeit ihrer Krankheit, die sie durch Aktivierung der Selbstheilungskräfte heilen soll.

Dabei bedient sie sich an einer wissenschaftlich anmutenden Verbrämtheit, wie man sie auch von den Verschwörungstheorien kennt, um eine noch so unsinnige Theorie irgendwie logisch erscheinen zu lassen, oder zumindest ausreichend zu beeindrucken oder zu verwirren. Wie ist es zu erklären, dass für das Prinzip der Verdünnung ausgerechnet das kraftvolle Wort „Potenzierung“ verwendet wird? Und es wird fleißig „potenziert“  bzw. verdünnt jenseits der Avogadro Konstante, ab der von der Ursprungssubstanz nichts mehr übrig bleibt. Nichts drin, nichts dran. Wie bereits erwähnt: Zum Glück für den Anwender.

Es gibt bekannte Bekannte. Es gibt Dinge, von denen wir wissen, dass wir sie wissen. Wir wissen auch, dass es bekannte Unbekannte gibt, das heißt, wir wissen es gibt Dinge, die wir nicht wissen. Aber es gibt auch unbekannte Unbekannte – es gibt Dinge, von denen wir nicht wissen, dass wir sie nicht wissen.
Donald Rumsfeld

Ja sicher. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde die funktionieren ohne dass wir wissen warum und wir sind weit davon entfernt die Welt zu erklären. Es ist und bleibt aber das schlechteste aller Begründungen für die Homöopathie auf die Unerklärbarkeit eines Phänomens hinzuweisen. Dies ist, übertragen auf den Glauben, dann der Punkt an dem man für die Erklärung eines leukämiekranken Kleinkindes Sätze zu hören bekommt wie „Gottes Wege sind unergründlich“. Es ist eine Kapitulation die man dann auch für höchst redlich hält.

Naturkundlich ist die wissenschaftliche Medizin

Unsere heutige Medizin hat eine lange Geschichte, und anders als die Homöopathie, die alle Züge einer Religion zeigt, ist sie naturkundlich, denn sie orientiert und erforscht anders als die Homöopathie tatsächlich die Natur, welche, so ungerne man dies hören mag, nun mal chemischen Prozessen unterworfen ist. Auch die Zuckerkügelchen werden chemisch verdünnt. Doch entgegen jeder Vernunft wird das Gegenteil dessen behauptet von dem, was tatsächlich passiert. So wird eine Verdünnung zur Steigerung. Es ist und bleibt eine Behauptung dass dies tatsächlichen Nutzen hätte, mal abseits davon dass sich einige die Taschen damit gut füllen, doch auch das ist eine Parallele zur Religion.

Meine Kuchen backe ich ohne Chemie!

Na dann guten Appetit!

Es geht doch um die Erinnerung

Ganze Literaturwände, heute kann ja jeder mal ein Buch vollschreiben, sind gefüllt von Behauptungen dass Stoffe, insbesondere das Wasser, ein Gedächtnis hätte. Das scheint auch dringend nötig in der Homöopathie, dass wenigstens das Wasser sich erinnert womit es mal in Berührung kam, wenn durch ständige Verdünnung am Ende nichts mehr von der Ursprungssubstanz geblieben ist. Da fragt man sich natürlich schon, warum sich das Wasser denn ausgerechnet an die guten Stoffe erinnert und nicht an die Fantastillionen dem Menschen schädliche mit dem es in Berührung kam. Gottes Wege sind halt unergründlich. Punktum.

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