Hosianna!

Veitsdom in der Prager Burg
Veitsdom in der Prager Burg

Es ist für mich schon ganz schön beklemmend, wenn man die über Jahrhunderte unrechtmäßig gestanzten Objekte der Begierde bei einer Kirchenbesichtigung stolz präsentiert bekommt. Das perfide daran ist, dass ich dafür dann auch noch Geld bezahlen soll, um etwas zu sehen, was dem Kollektesammler eh nicht gehört, von dem aber behauptet wird, es bringe Erlösung, oder immerhin noch Erleuchtung.

Küss meinen Ring, du hast ihn schließlich bezahlt!

Wo ist der Unterschied zum Ablassbrief? Wo ist der Unterschied zwischen Inquisition und Glaubenskongregation? Je mehr ich darüber nachdenke, umso mehr schüttelt es mich, wenn ich an die Kirche denke. Hier hortet man alleine an Gold, in ein paar Kathedralen der Weisheit Europas, Milliarden, und der perverse Gangster im weißen Gewande fährt guten Gewissens, Nächstenliebe im gepanzerten Glaskuppelkondom predigend, durch Afrika und ist erschüttert über das Leid, welches Rebellen seit Jahrzehnten über die Länder bringen.

Und in der Kirche, die keinen Zweifel aufkommen lässt über die Erhabenheit und den Machtanspruch der Institution mit seinem bedrohlich wirkendem, pompösen Auftreten, sieht man erwachsene Menschen, die sich auf die Knie fallen lassen und vor einem Haufen Blech und Stein, in Trance schwebend, wirres Zeug vor sich hin murmeln, während sie wohlmöglich noch leicht pakionsonartig hin und her wippen und glauben, die Erlösung und die Antwort auf alle Fragen zu kennen. Na wenn das der Preis ist um etwas zu bekommen, das Halt im Leben gibt… In der Klapse sind Leute, die machen vom Prinzip her nichts anderes.

Kirchen sind wohl ganz bewusst so pompös aufgebaut, um dem Menschen die eigene Unwichtigkeit und Allmacht Gottes vor Augen zu führen, damit man dem frommen Schäflein gleich im Anschluß noch sagen kann, wie man trotzdem Absolution und unendliches Leben erreicht. Dafür haben wir den Himmel ja; ein super Konstrukt um dem Wesen Mensch, dass als einziges ob seines eigenen Todes weiß, die Unendlichkeit zu geben. Und trotzdem wissen die meisten zwischenzeitig nicht, was man an einem verregneten Wochenende anfangen soll.

Das wirklich schlimme ist für mich aber nicht der Glaube an sich, sondern die Alice im Wunderland Institution mit ihrem Regelwerk drumherum, welches fleissig vom frommen Weisen heruntergebetet wird, wenn man die Frechheit hat zu sagen, man wäre auch ohne Gott glücklich und akzeptiere, das der Tod das Ende des Lebens ist. Bezeichnend für meine Ablehnung der Institution kath. Kirche insgesamt ist die Beatifikation von Johannes Paul II., in dem Ratzinger einfach alle Gott gegebenen Regeln im wahren Sinne des Wortes, ob sinnvoll oder nicht, außer Kraft setzte. Ist ja für was Gutes! Mir missfallen Menschen oder Ämter mit solcher Handlungsstärke. Und was ist das überhaupt für eine Anmaßung zu behaupten, der höchste Vertreter Gottes zu sein? Und wenn Ratzinger schon der Nachfolger von Petrus ist, warum ist in Deutschland dann immernoch das Wetter so schlecht? Weiß Gott eigentlich, welchen Vertreter er hier auf Erden hat, und wie sich dieser präsentiert? Und wenn ja: Solange er daran nichts ändert, benötige ich ihn genausowenig, wie seinen Vertreter selbst.

Und doch ist alles menschengemacht. Das Universum interessiert sich einen feuchten Pubs – sowohl für den Mensch – als auch für Gott. Das ist das schöne an einem Naturgesetz: Du kannst nicht! Hingegen predigt die Kirche: Du sollst nicht; und wird nicht müde ihre eigenen Regeln und Statuten so schnell zu zerschreien, wie es zweckdienlich ist, Stichwort: Beatifikation. Nur ändert sich hier und da halt der Name.

Hier ist die Naturwissenschaft doch viel göttlicher als die Kirche. Die Kirche formt sich über die Zeit gerade so, wie Mensch den Gott für seinen Zweck benötigt, das kann man in jeder Zeitachse nachlesen, und 1:1 Korrelationen sind teilweise erdrückend. Die Naturgesetze sind immer und überall gleich. Welch Halt ihr doch inne wohnt. Nur Unendlichkeit, die erreicht man auch mit ihr nicht.

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8 Antworten auf „Hosianna!“

  1. Ja, der Text ist von mir, wenngleich er doch stark inspiriert wurde von diesem Tondokument: http://www.youtube.com/watch?v=Dd4frGTooaw sowie der Abartigkeit religiöser Raffgier, von der ich mir jüngst in Prag ein Bild machen durfte.

    Er ist auch bewusst so geschrieben, wie er geschrieben ist. Denn gerade wenn es um Glaube und Kirche geht, werden intelligente Menschen plötzlich arg merkwürdig. Keiner glaubt an den Osterhasen, aber 30% halten die Schöpfungsgeschichte tatsächlich für bare Münze. Eine spitze Zunge über die Regierung juckt keine Sau, nur der Lattenjupp und Gott sein Fanclub scheinen unantastbar verankert.

  2. Armin,

    entschuldige bitte, dass ich hier nicht gleicher Meinung bin.

    Ja, mich irritiert auch der von Menschen auferlegte Prunk, der meiner Meinung auch sehr wenig bis gar nichts mit Gott zu tun hat. Münster, Dome, Kirchen und dergleichen sind schon Prunkbauten unermesslichen Ausmaßes, in der dritten Welt hungern dafür die Menschen. Gotteshäuser sollen ein Ort des Rückzuges sein, daher sind sie notwendig. Aber so?

    Wenn du schon mal einen Menschen mit lebendigen und ehrlichen Glauben gesehen hättest und nicht nur Scheinchristen, würdest du über den Rest deiner Aussagen sicherlich noch mal nachdenken.

  3. Du musst Dich nicht entschuldigen, was wäre das langweilig wenn man immer gleicher Meinung wäre.

    > Wenn du schon mal einen Menschen mit lebendigen und ehrlichen
    > Glauben gesehen hättest und nicht nur Scheinchristen

    Sprech mir das nicht ab! Ich reflektiere das seit Jahren sehr bewusst und diskutiere darüber auch mit lebendigen und ehrlichen Gläubigen. Wieder, und wieder, und wieder, unabhängig der Konfession. Im engsten Freundschaftskreis habe ich da „so jemanden“ sitzen. Die habe ich hier aber garnicht angesprochen, wenngleich ich auch da ab einem gewissen Punkt eine kindliche Trotzreaktion feststelle! Damit kommen aber alle gut klar! 😉

  4. Hi Armin,

    es ist gut, wenn du dir deine Gedanken machst und deine Meinung bildest. Das sollte jeder so intensiv wie möglich tun.

    Natürlich möchte ich dir nichts absprechen, es war nur eine vage Vermutung. Jedoch kann ich auch nicht die Menschen in deinem Umkreis „bewerten“, um hier weitere Schlüsse oder Vermutungen zu kommunizieren.

    Lass dich nicht von Nebensächlichkeiten ablenken, denn zu viel hausgemachter Krampf kann oft sehr störend beeinflussen.

  5. Im Jahr 2006 waren wir in Rom und besuchten dort natürlich den Petersplatz/-dom. Natürlich war ich ob dieses Anblicks überwältigt.

    Vorher hatte ich gelesen, dass Bernini den Petersplatz mit seinen Kolonnaden so hatte anlegen lassen um zu verdeutlichen, dass die kath. Kirche die Mutter aller anderen Kirchen ist und die Kolonnaden wie mütterlich ausgebreitete Arme die Katholiken aufnehmen, um sie in ihrem Glauben zu bestärken, die Irrgläubigen, um sie der Kirche zuzuführen und die Ungläubigen, um sie im wahren Glauben zu erleuchten. (Ganz schön anmaßend?!)

    Als ich also mit diesem Wissen den Petersplatz betrat, stellte ich bei mir ein Gefühl der Ehrfurcht – nicht nur vor den Erbauern – ein. Obwohl ich die eben beschriebene Einstellung unmöglich finde und ich mich nicht für besonders gläubig halte. Seltsam! Menschlich?

    Mit gesundem Menschenverstand lässt sich Glaube natürlich widerlegen. Die Frage ist, ob es nötig ist, alles zu hinterfragen, oder ob es nicht wünschenswert ist, etwas Tröstliches wie den Glauben zu haben … Leider habe ich keine Antwort darauf. Aber ich arbeite d’ran ;-).

  6. Hmm, ob es nötig ist alles zu hinterfragen…

    Ich denke, dass doch genau das die Kirche oder der Glaube an sich macht, da das Wesen Mensch nicht wirklich damit klar kommt, als einziges Lebewesen sich Fragen stellen zu können, von dem es von vornherein weiß, darauf keine Antwort bekommen zu können. So können wir nicht wissen was jenseits unseres Universums liegt, fragen aber ständig danach. Wir können nicht wissen, wie Leben nach dem Tod aussieht, fragen aber ständig danach.

    Und ob das sonderlich tröstlich ist, weiß ich nicht. Ich finde es eher feige, die Geschicke in andere Hände zu legen und wenn es hart auf hart kommt zu sagen, irgendwas wäre daran schuld, statt sich zu überlegen, was man selbst tun kann. Roger Waters hat das in einem Interview mal sehr treffend formuliert:

    „Ich träume von einer Welt ohne Religionen. Die Idee des Glaubens hat das menschliche Leben durcheinander gebracht. […] diese Unsicherheit – Existiert Gott? Existiert Gott nicht? – hindert uns daran, das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie hindert uns, zu akzeptieren, dass sich jedes Individuum selbst mühen muss, seine Lebensumstände zu verbessern.

    Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott. Was in der Bibel steht, ist mir fremd. Ich war noch nie in einer Situation, in der ich nicht weiterwusste und mich an eine höhere Macht gewandt habe. Aber ich gebe zu: Es scheint im menschlichen Wesen zu liegen, sich einer religiösen Gruppe anzuschließen. Wir haben aller modernen Entwicklung zum Trotz eine Dorfmentalität wie in primitiven Zeiten. Damals gab es einen Schamanen, der behauptete, alles besser zu wissen als der Rest der Bevölkerung. Die Leute glaubten ihm, weil sie seine Behauptungen nicht empirisch prüfen konnten. Und wenn die Schamanen Macht anhäuften, wuchsen sie zu Gruppen und Organisationen – und dann wurde es blutig. Im Namen der christlichen Kirche wurde so viel Blut vergossen, dass ich sie nicht mehr ernst nehmen kann.“

    Das hätte zugegebenermaßen auch ich sagen oder schreiben können. Deshalb habe ich auch Unverständnis, wenn Leute in der Kirche auf Knien beten. Da würde ich dann gerne sagen: Steh‘ auf und nimm Dein Leben in die Hand, und was Du nicht ändern kannst, das musst Du hinnehmen, was Du nicht weißt, musst Du raten, aber Gott hilft Dir nur, wenn Du alles so haben willst, wie es eben ohne Deine Anstrenungung passiert.

    Deswegen finde ich es einen unfassbaren Schritt, dass vor hunterten Jahren in einer völlig religiös durchzogenen Welt die Griechen hergingen und versuchten, die Umwelt um sich herum zu verstehen, statt sie gottgegeben hinzunehmen. Und sie erinnerten sich an Aristoteles, der lange vor Jesus und unserer heutigen Kirche mit simplen aber genialen Gedanken und Mathematik viele Dinge nachwies, die die Kirche verteufelt hat. Aristolteles wies nach, dass die Erde eine Kugel ist. Er wies nach, dass wir nicht der Mittelpunkt des Universums sind. Und trotzem hängten sich die Menschen an den Rockzipfel eines Geistlichen, der seine Schäfchen bewusst dumm gehalten hat. Da wären wir wieder bei Kant…

    Am Ende bleiben vielleicht zehn Fragen übrig, auf die wir keine Antwort bekommen können. Hier kann man jetzt gerne die unwahrscheinlichste aller Möglichkeiten, nämlich Gott, in Betracht ziehen. Muss man aber nicht. Hier wären wir bei Ockham: Die These mit den wenigsten Grundannahmen ist die wahrscheinlichste. Ein gutes Beispiel ist das Ufo-Phänomen. Völlig absurde Alien-Theorien werden, wohl weil sie so spannend sind, für bare Münze genommen, statt mal zu hinterfragen, warum unbekannte Flugobjekte gerade da auftauchen, wo Militär Forschungsstationen unterhält. Stattdessen gibt es Selbsthilfegruppen für Ufo-Entführte. 50 Jahre später gibt es nicht einen ungeklärten Ufo-Fall und trotzdem glauben die Leute dem absudesten. Den Sinn des Lebens kann man sich nur selbst geben, wenn man sein Leben selbstbestimmt gestaltet.

    In den 70er Jahren hat eine Marssonde das „Marsgesicht“ fotografiert, einen Klumpen Dreck, der in der Perspektive wie das Bild geschossen wurde aussah wie ein Gesicht. In etwa so, wie man auch in Wolken Figuren interpretieren kann. Da wurden unzählige Bücher geschrieben die versicherten, dass und wie hoch entwickeltes Leben auf dem Mars aussieht und sah. Auch hier wurden die absurdesten Gedanken plötzlich zum Weltbild, und nachdem der gleiche Berg von einer anderen Perspektive eben als Haufen Dreck identifiziert wurde, kamen die Verschwörer und behaupten bis heute, die NASA hätte Bilder gefälscht oder einen anderen Berg fotografiert. Mit welchem Nutzen? Hier wird Wissenschaft deutlich mißverstanden, nämlich als machtbeanspruchendes Konstrukt wie der Glaube.

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