Von der Kunst die Unzulänglichkeit zu lieben

Die Wupper in Müngsten
Die Wupper in Müngsten

Ich bin ein Perfektionist. Diebische Freude bereitet es mir meine Systeme, meine Arbeit, immer weiter zu optimieren. Der Computer ist mir ein dankbares Werkzeug, da es nur richtig und falsch kennt. Ein klares System – nichts ist einfacher als Softwareentwicklung. Aber es ist kühl. Im richtigen Moment ist es das Ertragen der Unzulänglichkeit und das Erheben der eigenen Handlung zur Maxime, des eigenen Schaffens und Gedankens, des eigenen Seins, um diese Welt für sich wärmer zu gestalten, das höchste Sein. Und es muss nicht perspektivlos sein, gerade wenn es schwindelig alternativlos erscheint.

Existierende Lücken der Evolutionstheorie sind sicherlich kein Gottesbeweis, und gleichsam ist die Bibel kein wissenschaftliches Buch. Doch bietet die Bibel und der Glaube einen großen evolutionären Vorteil: Abgeschlossene Systeme sind verständlich, greifbar, beruhigen. Wie eben der Computer. Gerade die Unruhe, die Unzulänglichkeit oder Unerklärlichkeit mit sich bringt, vermag es jedoch, tatsächliche Ruhe zu bieten – sofern man sie erkennen kann und will und sich schenken lässt. Wenn wir operiert werden, bekommen wir zuvor eine Beruhigungspille. »Es wird schon nichts passieren.« Schon die habe ich abgelehnt. Ich mag mich nicht betäuben. Wer mich kennt, weiß, dass ich auch bei banalen Kopfschmerzen nicht zur Pille greife, sondern den Schmerz mit Decke über dem Kopf ertrage, bis er auskuriert ist. Wenn mein Kopf mir sagt, dass mein Körper Ruhe braucht, mag ich nicht meinen Kopf betäuben, um meinen Körper weiter zu belasten. Wenn die Tanklampe angeht, muss man zur Tankstelle. Und wenn das Problem behoben ist, geht sie von alleine wieder aus.

Die höchste Philosophie des Naturforschers besteht eben darin, eine unvollendete Weltanschauung zu ertragen und einer scheinbar abgeschlossenen, aber unzureichenden, vorzuziehen.

Das es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die sich komplett meiner Erkenntnis verschließen, nehme ich  gerne in Kauf. Lieber noch habe ich es aber, wenn sie sich meinem Verständnis verschließen, aber der Erkenntnis zugewandt sind. Absolute Antworten gibt es nicht. Eine lineare Entwicklung wird nicht am Anfangspunkt enden, um ein geschlossenes System bilden, sondern immer weiter gehen, und nur im Moment ein Richtig oder Falsch geben.

Von Wahrheit weiß ich nichts zu sagen

Ebenso wie der Mensch als biologischer Organismus der Evolution gegenüber steht, ist es auch der Geist des Menschen, sowie das soziale Miteinander, dass ständig einer Entwicklung unterzogen ist. Zumindest sollte er das. Wir haben uns im Laufe unserer Entwicklung von vielem getrennt, vieles erarbeitet und angeeignet, denn niemals gab es die erklärte absolute Antwort – für nichts. Es gibt sie nur gefühlt. Der Moment liefert eine Antwort. Glücklich ist, wer ihn genießen kann. Und es ist auch eine von Glanz umströmte Antwort der Sinnfrage den Moment zu suchen, denn er ist beständig. Das Ertragen der Unzulänglichkeit einer Erklärung, vermag mehr Segen zu spenden, wenn man es denn zu erkennen fähig und willens ist. Weil es Geschenke spendet die kostbarer sind, als alles, was man sich erarbeiten könnte.

Hier stehe ich, ich kann nicht anders

ist dabei, vermutlich unbewusst, eine viel treffsichere und raumgreifende Aussage eines Ist-Zustands, als dass es gilt Glaubensinhalte zu verteidigen. Tatsächlich stehe ich hier und kann nicht anders. Denn die Dinge dürfen durchaus schön sein, ohne dass man sie erklären kann.

Eine Antwort auf „Von der Kunst die Unzulänglichkeit zu lieben“

  1. „nichts ist einfacher als Softwareentwicklung“
    Das sieht man besonders gut an den zyklisch wiederkehrenden Patchorgien von Winzigweich und Adobe.

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